chapter 20
Samstagmorgen, sieben Uhr. Ich lag im Bett auf dem Rücken und wusste nicht, was weiter aufgerissen war, meine Augen oder mein Mund. In drei Stunden sollte ich mit dem Piraten im Schwimmbad sein.
In einem Bikini.
War ich komplett durchgeknallt?
Ich verfluchte mich und Gisela und den Piraten. Und den Zahnarzt gleich mit. Das kam ja auch noch dazu! Nach der ganzen Bikini-Strapaze wollte der mich am Abend noch entjungfern.
Ich wusste, dass alle anderen Mädchen das auch durchmachten. Aber ich war doppelt so alt wie ein Mädchen!
Er hatte eine weiße Hose an und dazu ein hellblaues Shirt. Ein schlankes Kind mit brauner Haut und schwarzem Zopf hing an seiner Hand. Obwohl der Pirat locker der Vater des Mädchens hätte sein können, sah er neben ihr etwas verloren aus und wirkte viel eher wie der Bruder als wie der Onkel. Ich atmete kräftig aus – na komm, hin mit dir, du Heldin, du schaffst es.
Zwei Minuten später stand ich noch immer zehn Meter hinter den beiden. Es war sicher das dreißigste Mal, das ich kräftig ausatmete, mittlerweile war ich knapp vorm Hyperventilieren. Da drehte das Mädchen sich um. Sie legte den Kopf schief und sah mich an. So als wüsste sie ganz genau, dass ich diejenige war. Ich winkte ihr zu. Ihr Mund öffnete sich zu einem Lächeln, so spontan wie nur Kinder es hinbekommen. Sie zog am Piraten. Ich atmete ein einunddreißigstes Mal aus und ging zu ihnen.
»Hallo«, sagte ich.
»Guten Tag, Frau Kis«, sagte der Pirat.
»Hallo«, sagte das Mädchen. »Bist du die Frau Kies?«
Ich beugte mich zu ihr. »Ja, aber es wäre schön, wenn du Teddy zu mir sagst.«
»Teddy?« Sie hielt sich die Hand vor den Mund und lachte. »Teddy so wie ein Teddybär?«
Ich nickte. »Ganz genau. Und wie heißt du?«
»Cheyenne.«
»Das ist ein sehr schöner Name.«
»Ich bin schon sechs.«
»Wow.«
»Frau Kis, ich danke Ihnen sehr, dass Sie gekommen sind.«
»Und ich danke Ihnen«, antwortete ich und ging voraus zur Warteschlange. Den Anfang hatten wir geschafft.
Es dauerte eine knappe Minute, bis ich die Katastrophe entdeckte. Vier Leute waren noch vor uns, als ich bemerkte, dass ich meine Geldbörse zu Hause vergessen hatte. Wie hatte das denn passieren können? Da bereitete ich mich tagelang wie eine Verrückte auf dieses Ereignis vor und dann vergaß ich das Allerwichtigste!
Niemand, niemand auf der Welt hätte mich dazu bringen können, den Piraten zu bitten, für mich mit zu bezahlen. Das war so peinlich. Unsagbar peinlich.
Nur noch zwei Leute vor uns. Ich spürte, wie sich Schweiß auf meiner Stirn sammelte, und war mir sicher, dass er aus reinem Blut bestand. O lieber Gott, wenn du mir aus dieser Situation hilfst, dann werde ich ein besserer Mensch. Ich werde alles tun, nur bitte, bitte, bitte, bitte … mein Blick fiel auf die Familie hinter uns und vor allem auf ihre Badetasche, die sie auf den Boden gestellt hatte. Obenauf lag eine schöne, dunkelblaue Geldbörse … natürlich war es geistige Umnachtung, aber bitte, nur aus Liebe. Aus Liebe und dem unkontrollierbaren Bedürfnis, um nichts in der Welt peinlich zu sein. Bevor ich wusste, was ich tat, hockte ich mich neben die Badetasche und nahm mit der Flinkheit eines Meisterdiebs die Geldbörse an mich.
Ich hielt die Luft an. In meinen Ohren rauschte es. Würde die wütende Menge sich auf mich stürzen? War die Polizei schon unterwegs? Klickten die Handschellen? Bis auf die zweitausend Schilling aus Mamas Wäschelade und das Weihnachtsbaumgeld hatte ich noch nie etwas gestohlen.
Das Diebesgut brannte wie Feuer in meiner Hand, als ich mich der Kasse näherte.
»Frau Kis, es ist mir eine Freude, Sie einladen zu dürfen.«
Schmallippig lächelte ich den Piraten an. Hätte er mir das nicht eine halbe Minute früher sagen können?
Mein Versuch, die Geldbörse unbemerkt in die Familientasche zurückzubefördern, misslang gründlich. Der Jüngste zeigte auf mich und rief: »Die hat was zu unseren Sachen geschmissen.«
Ich beugte mich zu ihm und versuchte, möglichst kinderlieb dreinzuschauen. »Das war ein Zaubertrick, Kleiner«, flüsterte ich.
Auf der Stelle baute sich das bärtige Oberhaupt vor mir auf. »Lassen Sie unseren Sohn in Ruhe!«
»Ich –«
»Frau Kis, ist alles in Ordnung?«
»Die hat meinen Sohn angequatscht!«
Am liebsten hätte ich diesem Dämlack von fürsorglichem Familienvater eins übergezogen. Ich hatte ihm doch nur das Diebesgut zurückgegeben!
»Komm, Cheyenne«, sagte ich, nahm das Mädchen bei der Hand und war heilfroh, kindliche Unterstützung an meiner Seite zu haben.
Kaum waren Cheyenne und ich in der Damenumkleide angekommen, raunte ich ihr verschwörerisch zu: »Sag mal, warum trägt dein Onkel eigentlich die …« Wenn du ihn wirklich liebst, dann lass ihn das mit der Augenklappe selbst erklären, mahnte Giselas Stimme in meinem Ohr. Cheyenne sah mich erwartungsvoll an. Ich seufzte: »Die weiße Hose?«
Cheyenne zuckte die Schultern. Dann zog sie sich ganz alleine um und legte ihr Kleid, ihre Unterhose und ihre Socken so sorgfältig zusammen, dass meine pedantische Mutter ihre Freude daran gehabt hätte. Ich schmiss mein Zeug irgendwie hinterher und tänzelte möglichst unauffällig in die Nähe des Ganzkörperspiegels.
Das sah nicht gut aus. Hatte ich wirklich so viel Cellulite? Hatte Gisela nicht gesagt, das würde nur an dem grellen Licht in der Boutique liegen? Himmel, beide Schenkeln zusammengenommen, mussten das an die dreißig Dellen sein. Was heißt Dellen, Löcher!
Okay, du darfst ihn einfach nie hinter dich lassen, konzentrier dich auf die Front. Schultern nach hinten, Bauch rein, Brust raus, oha, was war das? Ich kniff die Augen zusammen und beugte mich nach vorne. Mein Kopf knallte gegen den Spiegel.
»Was machst du denn da, Teddy?«, fragte Cheyenne.
»Ähm nichts, Cheyenne. Sei so lieb, ich muss nur ganz kurz in eine Kabine. Bitte setz dich so lange dahin, ja? Nicht weggehen.«
»Okay.«
Ich rannte in die nächste Kabine. Hier war es natürlich finster, Shit. Aufgeregt fuhr ich an meinem linken Oberschenkel entlang. Ja, da waren sie. Scheiße! Was war ich nur für eine Frau? Welche Frau auf dieser Welt ließ zwei volle Quadratzentimeter Schamhaar auf ihrem Oberschenkel stehen? Welche andere Frau hatte überhaupt Schamhaare auf dem Oberschenkel? Ich zerrte an der Badehose und zog sie so weit es ging nach links. Blödsinn. Ich versuchte mir die Haare auszurupfen, was zur Folge hatte, dass die Tränen in meine Augen traten und mir das knallige Rot meiner Haut sogar hier in der dunklen Kabine entgegenleuchtete. Ich hätte mich umbringen können.
»Teddy?«
»Ich komm schon!« Gab es nicht irgendwo einen Rasierer, den ich klauen konnte? Verdammt. Aber es half nichts, ich durfte ihn eben nicht direkt vor mich lassen. Und nicht hinter mich. Am besten, ich hielt mich die ganze Zeit über im Wasser auf. Und der Tampon? Ich lüpfte die Bikinihose. Kein blaues Band weit und breit zu sehen, kein Wunder, ich hatte den Tampon samt Band bis in meine Gebärmutter gestopft. Mindestens.
Ich wickelte mein Handtuch um die Hüften, das obere Ende so hoch, dass es bestimmt bescheuert aussah, aber wenigstens auch gleich mein Bauch davon bedeckt war. Dann wetzte ich zurück zum Schrank. »Tschuldige bitte, Cheyenne, ich hatte nur ein Problem mit meinem Bikini.«
»Was hast du denn für ein Problem mit deinem Bikini?«
»Hab den Verschluss nicht zugekriegt.« Stehlen und kleine Kinder belügen. Na bravo.
»Schau, ich hab einen Kitty-Kat-Badeanzug«, erklärte Cheyenne und stemmte die Hände in die Hüften.
»Ich seh’s«, antwortete ich. »Er ist sehr süß. So, und jetzt komm, wir gehen deinen Onkel suchen.«
»Mein Onkel heißt Sigi.«
»Ich weiß.«
»Aber du hast Herr Nemeth zu ihm gesagt.«
»Naja, so heißt er eben auch. Sigi und Herr Nemeth.«
»Ich will, dass du Sigi zu ihm sagst.«
»Das will ich auch, Cheyenne, glaub mir, das will ich auch«, antwortete ich voller Inbrunst und wunderte mich selbst darüber, dass ich mich der kleinen Kitty Kat anvertraute.
Der Pirat erwartete uns vor der Tür. Er musste genauso schüchtern sein wie ich, denn seine Badehose reichte bis über die Knie. Meine Güte, wie dünn und sehnig seine Waden waren. Verstohlen betrachtete ich seinen nackten Oberkörper. Da war kein Gramm Fett drauf. Und kaum ein Muskel. Dafür erstaunlich viele Haare. Ich fand ihn schön.
Cheyenne wollte gleich ins Wasser.
»Gehen Sie nur rein mit ihr«, sagte ich. »Ich suche uns noch ein Plätzchen, dann komm ich nach.«
»Danke, Frau Kis.«
»Geben Sie mir Ihr Handtuch, dann leg ich es gleich dazu.«
»Ja, bitte.« Er räusperte sich. »Danke, Frau Kis.«
Ich seufzte leise. Wir würden nie »Sigi« und »Teddy« zueinander sagen.
So, wohin mit uns, das war die Frage. Die Schattenplätze unter den Bäumen waren natürlich samt und sonders belegt. In die Sonne durften wir aber auf keinen Fall, Sonnenlicht war absolut tödlich, wenn man Orangenhaut, Damenbart und Oberschenkelschamhaare zu verbergen hatte. Ich quetschte unsere drei Handtücher zwischen zwei Familien unter einen kümmerlichen Baum, der zumindest ein bisschen das grelle Licht dämmte. Cheyennes Schneewittchenhandtuch legte ich in die Mitte. Irgendwie wünschte ich mir, ich wäre das Kind.
Es waren eine Unmenge Leute im Schwimmbad. Die Luft war erfüllt von einem einzigen vergnügten Kreischen. Mussten die Leute alle nicht arbeiten? Wurscht Teddy, denk einfach nur an Carpe diem, an killen mit deinem smile und dass du heute veni, vidi, vici musst.
Ich smilte, zog mein Handtuch noch fester um Bauch und Hüften und machte mich auf den Weg zum Erlebnisbecken. Der Pirat stand bis zur Brust im Wasser und Cheyenne strampelte vor ihm herum. »Teddy«, rief sie.
»Hallo«, rief ich zurück. Beide sahen mich erwartungsvoll an. Ich rührte mich nicht von der Stelle.
»Komm rein, Teddy«, quietschte Cheyenne. »Das Wasser ist gar nicht kalt, wenn man drinnen ist.«
Ich nickte. Der Pirat sah mich noch immer an. Ich bewegte mich keinen Zentimeter.
»Bitte, kommen Sie doch, Frau Kis.«
Ich biss mir auf die Lippen. Kapierte der Mann nicht, dass ich unmöglich ins Wasser steigen konnte, solange er mich ansah? Dazu hätte ich ja das Handtuch runternehmen müssen.
»Teddy, koohoomm!«
Und der Pirat sah mich noch immer an. Konnte Cheyenne ihn nicht kurz ertränken, oder so?
Gottergeben knotete ich das Handtuch auf, so langsam wie ich nur konnte. Zeit genug für den verfluchten Mann, sein Auge endlich woandershin zu richten. Der dachte aber gar nicht dran. Der schützende Schurz glitt an meinen Beinen hinab. Automatisch ging ich auf die Zehenspitzen und stemmte den Po nach hinten. Es gab so viele Dinge, die ich beachten musste. Beine verlängern, Hüften verkleinern und zusätzlich noch so unlesbisch wie nur möglich aussehen.
Mit dem Gesicht nach vorne, die linke Hand auf den linken Oberschenkel gepresst, stieg ich die Leiter hinab. Unter Aufsicht des Piraten. Das Wasser war saukalt, trotzdem enterte ich das Becken im Zeitraffer. »Haaa, das ist aber nicht so warm«, piepste ich.
»Du musst schwimmen, Teddy. Schau, so wie ich.«
Ich schwamm eine Runde um Cheyenne und den Piraten herum. Plötzlich musste ich lachen. Ich hüpfte vor den beiden auf und ab. Und nein, mein Bikini verrutschte nicht. Das Leben war so schön.
»Schau mal, Teddy, wie ich tauchen kann.«
Cheyenne hielt sich mit spitzen Fingern die Nase zu und tauchte unter. Sobald sie unter Wasser war, ließ sie ihre Nase los und ruderte mit den Händen herum. Der Pirat und ich lächelten uns an. Mama und Papa, voller Stolz auf ihren Spross. Im nächsten Moment war meine Badehose bei den Knien. Ich kreischte. Und ruderte auch gleich mit den Händen unter Wasser herum. Cheyenne tauchte wieder auf und kicherte wie von Sinnen. Ich drehte mich um und tat so, als würde ich außerhalb des Beckens jemanden suchen.
War das der Moment gewesen? Der Moment, in dem der Pirat mich das erste Mal nackt gesehen hatte? Konnte wahrscheinlich eh keinen besseren ersten Blick auf den Körper geben als unter Wasser. Oder? Ich meine, Wasser schmeichelt doch. Gott, wie lange drehte ich den beiden nun schon den Rücken zu? Und nach wem hielt ich hier überhaupt Ausschau? Und warum war ich zweiunddreißig und machte mir über zwei Sekunden »unten ohne« Gedanken? Wurscht. Wurscht. Wurscht. Mit Schwung drehte ich mich um. Der Pirat und Cheyenne waren am anderen Ende des Bassins und völlig mit sich selbst beschäftigt. Wurscht.
Ich gab mir alle Mühe, mit besonders sportlichen Schwimmstößen zu ihnen zu gelangen. So sportlich wie Brustschwimmen halt ausschauen kann, wenn man den Kopf nicht eintauchen darf.
»Komm, Teddy, tauchen wir!«
»Geht leider nicht, Cheyenne. Die Brille.« Und die Wimperntusche. Und das Rouge. Und der Pickelabdeckstift.
Cheyenne zuckte mit den Schultern und schlug unter Wasser einen Purzelbaum. Hätte ich bloß ihr Selbstbewusstsein.
»Frau Kis«, der Pirat räusperte sich.
»Ja?«
Wieder ein Räuspern. »Nun ja, ich wollte nur sagen, dass ich es sehr schön finde, dass Sie heute gekommen sind. Ich habe Sie ja die ganze Woche nicht gesehen.«
Ich wollte ja kommen, ich wollte. Wie gern hätte ich das zu ihm gesagt. Und ihn in den Arm genommen. Und all die Menschen um uns herum woandershin verbannt. Zu Cheyenne unters Wasser.
»Ich, ähm, ich habe ein neues Auto bekommen und musste jetzt das Fahren mit Gangschaltung üben. Der Zahnarzt, kennen Sie ihn? Dr. Strohmann, er hat mir die ganze Woche Fahrstunden gegeben.«
»Ich verstehe.«
»Haben Sie einen Führerschein, Herr Nemeth?«
Der Pirat schüttelte den Kopf. »Dazu habe ich mir wohl nie die Zeit genommen.«
Cheyenne tauchte zwischen meinen Beinen durch, ich hielt meine Badehose fest. »Gisela hat mir erzählt, dass Sie mit ihr zusammen studiert haben.«
Jetzt nickte er.
Himmelschimmel, dass man ihm alles so aus der Nase ziehen musste! »Was haben Sie denn studiert, Herr Nemeth?«
»Nichts so richtig, fürchte ich. Anfangs Geschichte und Politikwissenschaften. Dann habe ich es mit Philosophie und Sinologie versucht. Und mit Ethnologie. Und dann mit Veterinärmedizin.«
»Oh. Das ist aber viel.«
»Alles nur sehr kurz. Ich habe nicht viel Bildung an der Universität erlangt.«
»Ich auch nicht«, versuchte ich einen Scherz, haha, ich war ja nie auf der Uni gewesen.
Doch er nickte nur. In dem Moment zog Cheyenne ihm die Badehose runter. Und wieder war ich es, die kreischte. Und hektisch war. Und sich anschließend intensiv nach jemandem außerhalb des Beckens umsah. So lange, bis Cheyenne mir mitteilte, dass wir drei jetzt auf ein Eis gingen.
Außerhalb des Wassers taten sich folgende drei Probleme auf:
Erstens: Cheyenne bibberte wie Espenlaub, ich musste ihr natürlich mein Handtuch abtreten.
Zweitens: Mein Bikini hatte im Wasser völlig die Form verloren, was eigentlich nicht sein konnte und was dem Altweiberladen mächtig Ärger bescheren würde, aber im Moment war ich ein Walross, an dem oben und unten ein paar Algen hingen. Zu allem Unglück schien der Pirat, dieser Galant, sich in die absurde Vorstellung verbissen zu haben, dass er als Mann hinter uns Damen zu gehen hatte.
Drittens: mein Tampon. Das Chlorwasser musste ihn dermaßen aufgepumpt haben, dass er drückte und nach unten zog, und ich war mir sicher, dass er nicht mehr lange an Ort und Stelle bleiben würde.
»Ich müsste mal dringend …«
»Sie sind natürlich eingeladen, Frau Kis. Welches Eis haben Sie denn gern?«
»Ich, ähm, Magnum Double Caramel, aber ich müsste nur schnell …«
»Was hast du denn, Teddy?«
»Cheyenne, musst du nicht vielleicht aufs Klo vor dem Eis? Nein?«
»Nööö.«
»Okay dann … Ich bin gleich wieder da. Geht ruhig schon ohne mich.«
Den Blick auf die beiden gerichtet, eilte ich im Rückwärtsgang zu den Toiletten, die linke Hand auf meinem Oberschenkelschamhaar. Dabei trat ich einem Kleinkind auf den Fuß, doch ich hatte Glück, der Pirat hatte es nicht gesehen.
Im Klo genügte ein minimales Drücken, um den Tampon in die Muschel zu befördern.
So, und jetzt? Ich saß ohne Tampon im Schwimmbad fest. Und meine Badehose sah aus wie ein Stück Lauch. Keinesfalls geeignet, um größere Blutstürze aufzufangen. Und draußen warteten der Pirat und Cheyenne auf mich. Mit einem Magnum Double Caramel. Jede Sekunde, die ich verpasste, war eine zu viel.
Ich riss ein paar Blätter von dem grauen einlagigen Klopapier ab, faltete sie zweimal und drehte das Ganze zu einer Rolle. Egal, ob es was bringen würde, allein dass das Reinschieben klappte, musste wohl schon als Erfolg verbucht werden. Das Gehen damit tat ein bisschen weh, doch wenigstens hatte ich dadurch die ständige Gewissheit, dass sich die Rolle noch am rechten Platz befand. Auf Zehenspitzen trippelte ich zu unserem Platz. Cheyenne und der Pirat aßen beide ein buntes Wassereis. Mein Magnum sah daneben etwas protzig aus.
»Onkel Sigi«, begann Cheyenne.
»Hmm?«
»Ich will, dass du zu Teddy ›Teddy‹ sagst. Und nicht ›Frau Kies‹.«
»Kis, heißt sie, Cheyenne. Kis.«
»Nö, du sollst Teddy sagen.«
Der Pirat räusperte sich.
Schnell sagte ich: »Ja bitte, sagen Sie doch ›Teddy‹ zu mir.«
Er räusperte sich noch einmal. »Ja, also dann, ich bin der Sigi.« Feierlich streckte er mir die Hand hin. Feierlich ergriff ich sie.
Cheyenne lachte laut. Und als sie fertig damit war, rief sie: »Ihr seid ja blöd.«