?Ich wei? nicht, was ich sagen soll.?
?Das ist nicht schlimm, Ruby, wirklich. Ich h?tte mir nur gewünscht, dass er einfach ehrlich zu mir ist. Ich finde nicht, dass ich diese Funkstille verdient habe. Er h?tte mir einfach sagen k?nne, dass Lydia ihm noch eine Chance gibt. ?
?Ich glaube nicht, dass das der Grund ist.?
Sie zuckt wieder mit den Schultern. ?Es sollte mir egal sein. Es ist ja nicht so, als w?re ich unsterblich in ihn verliebt.?
Ihr Tonfall ist zwar unbekümmert, aber ihr trauriger Blick straft sie Lügen.
?Cyril ist ein Schwein, wenn er sich nicht bei dir meldet und du nicht wei?t, woran du bist?, sage ich wütend.
?Ich wei?, dass es sich so anh?ren muss. Aber wir wussten beide, worauf wir uns da einlassen. Er hat mir nie etwas versprochen, genauso wenig wie ich ihm. Und er kann wirklich toll sein – selbstbewusst, witzig. Und z?rtlich …? Lin l?uft knallrot an und vergr?bt das Gesicht in den H?nden.
?Das klingt eindeutig nach mehr als blo? etwas K?rperlichem, Lin.?
?Ich wei?!?, st?hnt sie und lugt zwischen ihren leicht gespreizten Fingern hindurch. ?Das habe ich auch erst jetzt gemerkt, wo ich ihn seit einer Ewigkeit nicht mehr au?erhalb der Schule gesehen habe. Ich vermisse ihn.?
Bei den letzten Worten klingt sie so angewidert, dass ich grinsen muss.
?Habt ihr schon mal darüber geredet? So richtig, meine ich??, frage ich sanft.
Sie schüttelt den Kopf und wird knallrot. ?Cyril und ich reden nie besonders viel miteinander, wenn wir uns sehen.?
Oh Mann.
?Wir sind schon so lange miteinander befreundet, und ich wusste nichts davon. Ich fühle mich gerade wie eine wahnsinnig schlechte Freundin.?
?Du bist eine tolle Freundin. Ich wollte nur niemandem davon erz?hlen, weil … ach, keine Ahnung. Die Geheimniskr?merei hatte irgendwie etwas an sich. Aber jetzt, wo das Ganze offenbar für ihn vorbei ist, macht es mich fertig.? Sie seufzt tief. ?Wir sind total gleich, Ruby. Wir wollten beide nichts Ernsthaftes anfangen, bevor wir nach Oxford gehen.?
Ebenfalls eines der vielen Dinge, die Lin und mich miteinander verbinden.
?Und jetzt sind sowohl James als auch Cyril in Oxford genommen worden?, murmle ich.
?Ja.?
Eine Weile sind wir still und h?ngen unseren eigenen Gedanken nach. Als ich an die Maxton Hall gewechselt bin, habe ich all meine Freunde von meiner alten Highschool verloren. Danach habe ich mir vorgenommen, nur noch oberfl?chliche Bekanntschaften zu pflegen und mich nicht auf mehr einzulassen. Ich wollte nicht Energie in etwas stecken, das mir dann doch wieder genommen wird.
Doch das hat sich ge?ndert, als ich Lin kennengelernt habe. Zwar habe ich nach wie vor Angst, dass auch diese Freundschaft flüchtig ist, aber das Risiko bin ich bereit einzugehen – das hat mir dieses Gespr?ch einmal mehr verdeutlicht.
Ich greife nach Lins Hand und drücke sie leicht. ?Du kannst mit mir über alles reden, Lin. Immer. Ich m?chte, dass du das wei?t.?
Das habe ich noch nie zu ihr gesagt, und es f?llt mir erstaunlich schwer, die Worte über die Lippen zu bringen. Nicht, weil sie nicht aufrichtig sind, sondern weil sie mir so viel bedeuten.
?Danke. Gleichfalls?, kr?chzt Lin, sichtlich berührt. Sie dreht ihre Hand so, dass wir unsere Finger miteinander verschlingen k?nnen. ?Das meine ich übrigens ernst. Du kannst mit mir auch jederzeit über James sprechen. Oder über alles andere.?
Ich kaue auf der Innenseite meiner Wange und denke an den Moment heute Mittag, als James vor der Tür stand und all diese Dinge zu mir gesagt hat.
Ich werde immer dir geh?ren, Ruby.
Seine Worte haben den Boden unter meinen Fü?en wanken lassen. Er sah so entschlossen aus, als g?be es in seinem Leben nichts Wichtigeres, als mich zurückzugewinnen.
?James war heute Mittag hier?, fange ich nach einer Weile an.
Lin h?lt meine Hand weiter fest und sieht mich fragend an. ?Was wollte er??
Ich zucke mit den Schultern. ?Er hat gesagt, dass er mich braucht. Dass ich der einzige Mensch bin, der ihn versteht. Und dass er mit mir glücklich werden k?nnte.?
Lin holt scharf Luft. ?Und??
Ich zucke die Achseln.
Was ich gesagt habe, habe ich ernst gemeint. Es ist nicht mein Job, dafür zu sorgen, dass James glücklich wird. Trotzdem bereue ich es, ihn so angeschrien zu haben. Es ging ihm offensichtlich schlecht, und wahrscheinlich bin ich wirklich die einzige Person, die verstehen kann, warum. In Oxford hat er mir gesagt, dass er noch nie zuvor mit jemandem über seine Zukunfts?ngste gesprochen hat, und ich kann mir vorstellen, was nach der Zusage für Oxford und dem Termin bei Beaufort in ihm vorgegangen sein muss. Dennoch … wir sind nicht mehr zusammen. Er kann mir das nicht aufbürden. Ich kann nicht das Einzige in seinem Leben sein, was einen Sinn für ihn ergibt. Das ist nicht der Zweck einer Beziehung.
?Ich m?chte für ihn da sein, aber gleichzeitig wei? ich nicht, ob ich das kann?, flüstere ich.
?Das verstehe ich?, erwidert Lin. ?Aber … ich sehe auch, wie er dich bei unseren Meetings ansieht. Ich glaube, er ist fest entschlossen, dich zurückzugewinnen.?
Ich schüttle den Kopf. ?Das ist das, was er jetzt will. James ist so sprunghaft – in zwei Wochen passiert bestimmt wieder etwas, was sein Leben aus den Fugen rei?t, und dann verschwindet er, dreht durch oder macht irgendetwas, das uns sabotiert, und dafür bin ich einfach nicht bereit. Ich lasse mich nicht noch mal so von ihm verletzen.?
Die letzten Worte kommen so energisch aus mir heraus, dass Lin mich überrascht ansieht.
?Das ist genau das, wofür ich dich so bewundere.?
Ich blinzle irritiert. ?Was??
Sie schenkt mir ein kleines L?cheln. ?Ich merke ganz genau, wie fertig dich das mit James gemacht hat. Wie sehr du mit ihm und seiner Familie leidest. Du warst für ihn da, nachdem er dich zutiefst verletzt hat – und jetzt bleibst du stark und konzentrierst dich auf dich selbst. Ich finde, das ist bewundernswert.?