?Der n?chste Punkt ist die Fotobooth?, sagt Lin und rei?t mich damit aus meinen Gedanken.
Pl?tzlich blitzt eine Idee in meinem Kopf auf. Sie scheint mir riskant, aber auch aufregend. Sie würde mir die Gelegenheit bieten, mit James zu reden und mich bei ihm zu entschuldigen. Fernab von Lins kritischem Blick und Camilles neugierigen Ohren.
?Genau.? Ich r?uspere mich. ?Ich kann das Auto meiner Eltern am Samstag haben und würde sie damit dann abholen. Allerdings sollen die Einzelteile ziemlich schwer sein.?
Ich nehme all meinen Mut zusammen und sehe wieder zu James.
?James?, sage ich mit fester Stimme. ?Würdest du die Fotobooth bitte mit mir abholen kommen??
Für den Bruchteil einer Sekunde blitzt überraschung in seinen Augen auf.
Doch dann nickt er und sagt: ?Ja, klar?, als w?re meine Frage nichts Besonderes gewesen.
Ich ignoriere sowohl das leise Ger?usch, das Camille ausst??t, als auch den vielsagenden Blick, den Lin mir zuwirft. Stattdessen verbringe ich den Rest der Sitzung damit, auf meinen Planer zu starren und mich zu fragen, was zur H?lle ich da gerade getan habe.
Als ich am Samstag auf den Maxton-Hall-Parkplatz fahre, wartet James bereits auf mich. Er tr?gt Jeans, einen schwarzen Mantel und einen grauen Schal. Gerade bl?st er sich in die H?nde, um sie aufzuw?rmen, und ich frage mich automatisch, wie lange er schon dort steht.
Als er mich entdeckt, l?sst er die H?nde sinken und l?chelt mich unsicher an. Ich habe keine Ahnung, was dieses L?cheln zu bedeuten hat. Es ist ein neues L?cheln. Eines, bei dem seine Haltung starr und seine Augen traurig sind. Eines, das nach unserer Trennung entstanden ist – nach dem Tod seiner Mutter und allem, was seitdem passiert ist.
Ich vermisse sein altes L?cheln.
Ich verdr?nge den Gedanken, als ich vor James zum Stehen komme. Wenn ich diesen Tag halbwegs erfolgreich hinter mich bringen will, muss ich mich zusammenrei?en.
?Guten Morgen?, sagt er und l?sst sich auf den Beifahrersitz unseres Minivans fallen. Unser Auto ist alt und ziemlich klapprig, aber es f?hrt, und das ist das Wichtigste. Zum Glück habe ich es gestern Abend noch mal mit Ember sauber gemacht, denn jetzt merke ich, dass es etwas eigenartig Intimes hat, wie James sich im Innern des Wagens umsieht.
Als er den Yankee-Candle-Duftbaum, der am Rückspiegel baumelt, in Augenschein nimmt, starte ich schlie?lich wieder den Motor.
?Meine Mutter liebt diese Dinger?, erkl?re ich. ?Sie steht total auf blumige Düfte, was meine Schwester immer in den Wahnsinn treibt. Ember hasst den Geruch von Rosen, aber Mum liebt ihn.?
Ich sollte aufh?ren, wirres Zeug von mir zu geben. Schlie?lich habe ich James nicht ohne Grund gebeten, heute mit mir diesen Ausflug zu machen. Allerdings finde ich es auch schwierig, das Gespr?ch gleich auf unsere gescheiterte Beziehung zu lenken. Vor allem wenn man bedenkt, wie lange wir noch zusammen in diesem Auto sitzen werden.
?Meine Mum mochte blumige Gerüche auch immer.?
Es kostet mich gro?e Mühe, den Blick weiter auf der Fahrbahn zu halten, statt den Kopf abrupt zu ihm zu drehen. Offensichtlich hat James keine Probleme damit, den Small Talk zu überspringen.
?Fehlt sie dir??, frage ich leise.
Er braucht einen Moment, bis er zustimmend brummt. ?Irgendwie schon. Es ist anders ohne sie.?
?Inwiefern??
Aus dem Augenwinkel sehe ich, dass er mit der Schulter zuckt. ?Es gibt keinen Puffer mehr zwischen meinem Vater und mir. Die Position will Lydia jetzt einnehmen, aber ich versuche alles, damit es nicht dazu kommt. Sie soll nicht zwischen den Stühlen stehen – schon gar nicht jetzt.?
?Wie geht es ihr? Ich habe sie diese Woche kaum gesehen.?
?Ganz gut. Glaube ich.? Er z?gert kurz. ?Ich würde mir wünschen, dass sie es Sutton endlich sagt. Gleichzeitig verstehe ich, warum sie es nicht tut.?
?Die ganze Situation ist einfach total beschissen.?
?Ja.? Einen Moment lang schweigt er, dann r?uspert er sich. ?Und, wie geht es dir??
Keine Ahnung, wie es sein kann, dass sich ein Gespr?ch so normal und merkwürdig zugleich anfühlt.
?Gut. Ich … ?hm. Ich wurde auch in Oxford genommen.?
?Ich wusste es. Sie w?ren auch ganz sch?n bl?d gewesen, dich abzulehnen?, gibt er zurück. ?Herzlichen Glückwunsch, Ruby.?
überrascht werfe ich ihm einen Blick zu. Er erwidert ihn ernst.
Ich verstehe nicht, wie er das immer macht. An einem Tag ist er am Boden zerst?rt und steht zitternd vor meiner Haustür, am n?chsten bringt er in Maxton Hall die Kraft auf, so zu tun, als w?re nichts gewesen. Und auch jetzt wirkt er v?llig gefasst, obwohl ich wei?, dass der letzte Samstag nicht spurlos an ihm vorbeigegangen ist.
?Danke?, murmle ich. Einen Moment lang suche ich nach den richtigen Worten für das, was ich ihm als N?chstes sagen m?chte. Obwohl ich seit Montag Zeit hatte, mir darüber Gedanken zu machen, ist mein Kopf jetzt wie leer gefegt. ?Was ich letztes Wochenende zu dir gesagt habe, tut mir leid?, fange ich schlie?lich an. ?Das war –?
?Ruby?, will James mich unterbrechen, aber ich schüttle den Kopf.
?Ich m?chte über dich hinwegkommen?, sage ich leise. ?Aber das wird auch nicht leichter, wenn ich gemein zu dir bin. Es tut mir wirklich leid. Und es war mir wichtig, dass du das wei?t.?
Ich spüre seinen Blick auf mir. ?Es gibt nichts, wofür du dich entschuldigen müsstest?, sagt er leise.