Save You (Maxton Hall, #2)

Sie zieht den Laptop ein Stück in ihre Richtung, und ihr winziger Schreibtisch wackelt gef?hrlich. Schnell umklammere ich mein Glas Orangensaft, damit es nicht umf?llt. Wir sitzen seit mittlerweile zwei Stunden hier, Seite an Seite, und arbeiten an ihrem Blog, w?hrend Frank Oceans melodische Stimme aus den kleinen Boxen des Laptops t?nt.

Ember ?ffnet eines ihrer Lesezeichen, und gemeinsam schauen wir dabei zu, wie sich die Seite langsam aufbaut und schlie?lich ein Kleid angezeigt wird, das mir ein leises Seufzen entlockt. Es hat einen V-Ausschnitt, ist schwarz und aus einem flie?enden Stoff gefertigt, der eng an der Taille ist und ab der Hüfte in weichen Wellen nach unten f?llt.

?Gibt es davon noch mehr Bilder??, frage ich, allerdings f?llt in diesem Moment mein Blick auf den Preis. ?Oh Gott. Es kostet über zweihundert Pfund?, bringe ich hervor und hebe einen Finger, um das Fenster sofort zu schlie?en. ?Warum zeigst du mir so was??

Ember f?ngt meine Hand mit ihrer ab und sagt grinsend: ?Nicht für uns. Das Unternehmen hat mir eine Kooperation angeboten.?

Ich z?gere. Ich wei?, dass Ember inzwischen viele Anfragen für Kooperationen mit irgendwelchen Shops bekommt, aber das bedeutet ja nicht, dass sie jede einzelne davon annehmen muss.

?Du suchst doch schon seit einer Ewigkeit?, f?hrt meine Schwester fort. ?Und das hier w?re perfekt für so einen schicken Anlass, oder nicht? Ich k?nnte es anfragen.?

Ich schüttle sofort den Kopf. ?Nein, das kann ich nicht annehmen.?

?Wieso nicht??

Ich zucke unschlüssig mit den Schultern. ?Keine Ahnung. Ist es nicht irgendwie merkwürdig, etwas umsonst zu bekommen??

?Glaubst du etwa, Schauspieler bezahlen für die Kleider, die sie sich von Designern für Premieren und Preisverleihungen borgen??

?Darüber habe ich mir ehrlich gesagt noch nie Gedanken gemacht?, gebe ich zu.

?Dann wei?t du es jetzt?, sagt meine Schwester. ?Die haben mir drei Kleider zur Probe angeboten und sogar eine Bezahlung, wenn ich eine ehrliche Rezension schreibe, was die Passformen angeht und so. Ich würde dann nur gern ein Bild von uns beiden machen, wie wir die Kleider tragen und vorführen – wenn das okay für dich ist.?

Wieder sehe ich das Kleid an. Ich klicke mich durch die n?chsten Bilder und verliebe mich mit jedem Foto mehr in den ausladenden Rock, den weich aussehenden Stoff und die kleinen Applikationen, die das Dekolleté s?umen. So ein elegantes Kleid habe ich noch nie getragen – abgesehen von dem, das mir die Beauforts im letzten Oktober für Halloween geliehen haben.

?Ich brauche gar nicht zu fragen, oder??, sagt Ember pl?tzlich, und als ich verwirrt den Kopf zu ihr drehe, meidet sie meinen Blick. Sie l?chelt resigniert. ?Du m?chtest mich wahrscheinlich wieder nicht mitnehmen, richtig??

?Ember?, seufze ich und hole Luft, um meine automatische Antwort von mir zu geben. Dann halte ich inne.

In den letzten Wochen war Ember Tag und Nacht für mich da. Sie hat sich um mich gekümmert und kein Wort zu Mum und Dad darüber verloren, was mit James geschehen ist – ganz gleich, wie hartn?ckig sie nachgebohrt haben.

Ich wei?, wie sehr Ember sich wünscht, einmal auf eine unserer Partys zu gehen. Und wenn ich genauer darüber nachdenke, ist die Charity-Gala wahrscheinlich sogar ein besserer Anlass als alle anderen Partys, die in Maxton Hall gefeiert werden. Es ist die eine Veranstaltung im Jahr, bei der sich die Schüler ohne Ausnahme von ihrer besten Seite zeigen. Zu viele gro?e Namen und einflussreiche Personen sind anwesend, als dass es sich jemand erlauben würde, negativ aufzufallen. Deshalb ist die Stimmung gediegen und die Chance, dass etwas passieren k?nnte, relativ gering.

Ember beobachtet mich aufmerksam. Sie ist vollkommen regungslos, als würde sie es nicht wagen, auch nur einen Muskel zu bewegen, aus Angst, dadurch eine negative Antwort zu provozieren.

?Ich nehme dich mit?, sage ich schlie?lich.

Embers Augen werden gro?. ?Meinst du das ernst??, fragt sie ungl?ubig.

Ich atme tief durch. Es sind unsere letzten gemeinsamen Monate, und ich m?chte sie so sch?n wie m?glich mit ihr verbringen. Bald würden wir einander nicht mehr t?glich sehen, und auch wenn ich mich riesig über Oxford freue, macht der Gedanke mir Angst.

?Es wird ein paar Bedingungen geben?, setze ich mit fester Stimme hinterher, weil ich will, dass Ember wei?, dass ich es ernst meine. Sie macht eine Handgeste, dass ich fortfahren soll. ?Du wirst den Abend über bei mir bleiben. Und du unterh?ltst dich nur mit Leuten, die ich kenne und vorher absegne. Ich m?chte wirklich nicht, dass du an jemand Komisches ger?tst. Einverstanden??

Ember f?llt mir so heftig um den Hals, dass ich beinahe vom Stuhl rutsche und mich an ihrem Schreibtisch festklammern muss.

?Du bist die Beste! Ich werde dir keine Sekunde von der Seite weichen?, ruft sie. Ich erwidere ihre Umarmung und schlie?e einen Moment lang die Augen. Ein Anflug von Sorge überkommt mich, und ich frage mich, ob ich die richtige Entscheidung getroffen habe. Schlie?lich wei? ich am besten, was auf diesen Partys passieren kann. Andererseits wird Ember bald siebzehn. Sie ist schlau und selbstbewusst und wei?, was sie will. Wahrscheinlich muss ich einfach mehr Vertrauen in sie haben.

Ich bin überzeugt, dass ich mich richtig entschieden habe, als Ember sich von mir l?st und mich mit leuchtenden Augen anstrahlt. ?Das hei?t, wir k?nnen jetzt offiziell Kleider shoppen. Und ich habe sogar einen Anlass, für den ich es tragen k?nnte! Au?erdem wird das der beste Blogeintrag aller Zeiten. Ich bin so aufgeregt!?

Ich erwidere ihr L?cheln und spüre, wie ihre Aufregung und ehrliche Freude auf mich überschwappen. Es ist das erste Mal seit Langem, dass ich mich so unbeschwert fühle. ?Ich freue mich, wenn du dich freust.?

Bei meinen Worten verblasst das L?cheln meiner Schwester pl?tzlich.

?Was denn??, hake ich nach.

Ember weicht meinem Blick aus. Sie beginnt, Seiten in ihrem Internet-Browser aufzurufen, scheint aber nicht wirklich zu wissen, was sie eigentlich tut. ?Es ist nicht so wichtig. Ich kann nur nicht glauben, dass das tats?chlich unsere letzten gemeinsamen Monate sind.?

?Nur weil ich ausziehe, bedeutet das ja nicht gleich, dass wir uns gar nicht mehr sehen werden, Ember?, sage ich sanft.

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