Save You (Maxton Hall, #2)

Alistair hat nicht übertrieben, als er gesagt hat, dass er seine Arme nicht mehr spürt – alle Lacrosse-Spieler sehen mittlerweile richtig fertig aus. Heute war das berüchtigte Zirkeltraining von Coach Freeman dran. Da schon das Training bei unserer Sportlehrerin dafür sorgt, dass ich h?llischen Muskelkater bekomme, will ich nicht wissen, wie es den Jungs morgen gehen wird.

Ich beobachte James dabei, wie er eine Flasche Wasser von Doug annimmt und ein paar Schlucke trinkt. Ein merkwürdiges Flattern macht sich in meinem Bauch breit. Mit dem feuchten Haar, den Trainingsklamotten und den ger?teten Wangen gibt James wirklich keinen schlechten Anblick ab. Eher im Gegenteil. Ich schlucke schwer. Pl?tzlich erinnere ich mich an das letzte Mal, als ich ihn atemlos, verschwitzt und mit rotem Gesicht gesehen habe. Damals war er nackt, hat mir vertraute Dinge ins Ohr geflüstert und mich besinnungslos geküsst.

?Erde an Ruby?, unterbricht Lin meine Trance. ?Kannst du mir das Kabel geben??

?Ja.? Hastig wende ich den Blick ab und versuche, meine Gedanken in unschuldiges Terrain zurückzulenken.

Erst sp?tabends sind wir mit dem Aufbau fertig. Es hat eine gefühlte Ewigkeit gedauert, die Stoffbahnen an den Fenstern entlangzuspannen und die beleuchteten S?ulen neben der Bühne aufzubauen, wofür wir mehrere Anl?ufe gebraucht haben. Es gab einen Zwischenfall, als ein Teil der Bühne weggebrochen ist und beinahe Doug erschlagen h?tte – aber zum Glück ist er mit einem Schreck und einer Schramme an seinem Arm weggekommen, die Camille überraschend fürsorglich verarztet hat.

Wir haben ein paar Kompromisse machen müssen – zum Beispiel konnten wir die Decke nicht schmücken –, aber alles in allem kann sich das Ergebnis sehen lassen. Gerade jetzt, wo es dunkel ist, und die Kronleuchter mit ihrem warmen Schein den Saal erhellen.

Die runden Tische sind allesamt fertig eingedeckt: Auf der wei?en Tischdecke haben wir silberne Tischl?ufer ausgebreitet und darauf hohe silberne Kerzenhalter, akkurat gefaltete Servietten und feinstes Porzellangeschirr verteilt. An jedem Tisch ist ein Schild mit der jeweiligen Tischnummer befestigt, die Jessalyn gebastelt hat. An den Seiten der Bühne h?ngen zwei Leinw?nde. W?hrend auf der linken die Pr?sentation über das Familienzentrum, die Doug erstellt hat, l?uft, scheint die rechte noch nicht zu funktionieren. Aber das werde ich mir sp?ter noch mal in Ruhe ansehen und notfalls für morgen früh ein Treffen mit dem Maxton-Hall-Techniker arrangieren. Die Glühbirnen, die James Anfang der Woche organisiert hat, tauchen den Raum stellenweise in bl?ulich lilafarbenes Licht, und der Projektor-Scheinwerfer wirft kleine leuchtende Kreise an die W?nde.

Zwar hat das Ganze doppelt so lange gedauert, als wenn die Mitarbeiter der Firma es installiert und aufgebaut h?tten, und es sieht nicht so professionell aus, wie ich es mir gewünscht habe, aber trotzdem bin ich stolz auf unser Ergebnis.

Ich kann mir schon jetzt bildlich vorstellen, wie die Atmosph?re morgen Abend sein wird – die elegant gekleideten G?ste, das gut riechende Essen, die klassische Musik und das l?chelnde Gesicht unseres zufriedenen Schulleiters.

Ich sehe mich nach den Jungs um, die gerade dabei sind, in gierigen Schlucken Wasser hinunterzukippen. Ohne sie h?tten wir das niemals hinbekommen. Entschlossen gehe ich zu ihnen und r?uspere mich. Zwanzig K?pfe drehen sich in meine Richtung. Das Kribbeln in meinem Nacken verr?t mir, dass auch James mich ansieht.

?Danke für eure Hilfe?, fange ich an und blicke jedem Einzelnen von ihnen einmal in die Augen. Nur James überspringe ich. Ich bin noch immer erschrocken über die Gedanken, die er vorhin in mir hervorgerufen hat, und will nicht riskieren, dass ich vor dem versammelten Lacrosse-Team knallrot anlaufe. ?Ihr habt was gut bei uns.?

?Wie w?re es, wenn du uns morgen einen ausgibst? Hier auf der Gala?, schl?gt Cyril mit einem Grinsen vor. ?Das w?re doch … lustig.?

?Mein Angebot von vorhin steht noch?, geht Coach Freeman dazwischen. ?Wir wollten das erfolgreiche Training in einem Pub ausklingen lassen?, sagt er an mich gewandt.

?Ein toller Vorschlag, Coach?, wirft Alistair ein und klatscht in die H?nde. ?Also bleiben wir bei unserem ursprünglichen Plan? Black Fox??

Ein zustimmendes Raunen geht durch die Reihen der Lacrosse-Jungs.

?Und die erste Runde geht immer noch auf mich?, sagt Coach Freeman und richtet seine Cap. ?Auch das Veranstaltungskomitee ist eingeladen, Ms Bell. Ihr habt schlie?lich genauso hart geschuftet.?

?So würde ich das nicht unbedingt bezeichnen. Ohne uns w?ren sie am Arsch gewesen …?, murmelt ein Kerl, den ich noch nie in meinem Leben gesehen habe.

?Sei still, Kenton?, sagt James bedrohlich leise.

Kenton presst die Lippen fest aufeinander.

?Los jetzt?, ruft Coach Freeman und nickt mit dem Kopf in Richtung Ausgang.

Die anderen ziehen los, und Doug, Camille und der Rest meines Teams folgen ihnen. Ich h?tte nie gedacht, einmal zu erleben, wie die Lacrosse-Mannschaft und das Veranstaltungskomitee zusammen etwas trinken gehen – freiwillig.

Lin st??t mir ihren Ellenbogen leicht in die Seite. ?Ich stelle jetzt Cyril endlich zur Rede?, flüstert sie mit entschlossenem Blick. ?Dann habe ich wenigstens Klarheit.?

Ich nicke. ?Gute Idee.?

?Du kommst nicht mit, oder??

Ich schüttle den Kopf, und die Entschlossenheit in Lins Augen verschwindet.

?Dann gehe ich auch nicht?, sagt sie und nickt auf mein Klemmbrett. ?Ich helfe dir.?

?Quatsch?, entgegne ich und drücke das Klemmbrett an meine Brust, sodass sie die Punkte nicht sehen kann, die noch nicht abgehakt sind. ?So eine Chance bietet sich so schnell nicht noch mal. Geh und versuch herauszufinden, was es mit seinem Schweigen auf sich hat. Und sollte er bl?d sein, geig ihm die Meinung.?

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