Ich kann mich nicht bewegen. Ich stehe einfach nur da, mit steifen Schultern und bebenden H?nden, als er noch ein kleines Stückchen n?her kommt. Jetzt muss ich den Kopf nach hinten neigen, um zu ihm hochsehen zu k?nnen.
Sein dunkler Blick gleitet über mein Gesicht, und es fühlt sich an, als würde er mit den Fingern über meine Haut streichen. Seine Haut auf meiner Haut, seine Fingerspitzen, die über meine Wange, meine Nase und meinen Mund fahren. Mein K?rper erinnert sich noch genau an seine Berührungen.
?Es tut mir leid?, flüstert er.
?Was genau??, entgegne ich nach ein paar Sekunden heiser.
An Silvester habe ich mir vorgenommen, das Kapitel ?James Beaufort? zu schlie?en, doch jetzt … jetzt fühlt es sich an, als w?ren wir kurz davor, ein neues aufzuschlagen.
?Alles.? Die Antwort kommt postwendend. ?Einfach alles.?
Mein Atem beschleunigt sich. Wie schafft James es, dass ich mich verloren und gefunden zugleich fühle? Seine Worte stellen meine Welt auf den Kopf. Gleichzeitig kommt es mir vor, als würde ich mich in einem M?rchen befinden – der Saal ist so wundersch?n geschmückt, und vor mir steht der Junge, der mir so viel bedeutet.
Stattdessen sollte ich mich auf die Gala konzentrieren. Nicht auf diese Gefühle. Nicht auf die Tatsache, dass es mir vorkommt, als würde ich mich geradewegs in einem M?rchen befinden, weil der Saal so wundersch?n geschmückt ist und vor mir der Junge steht, der mir so viel bedeutet.
?Es tut mir leid?, wiederholt James. Obwohl sein Blick wehmütig und voller Schmerz ist, ist er zum ersten Mal, seitdem das alles passiert ist, auch vollkommen offen. In diesem Moment h?lt James nichts zurück – ich erkenne Hoffnung und Zuneigung in seinen Augen und etwas, was mich die Luft scharf einziehen l?sst.
Das hier ist mein James.
Mein James.
Ganz gleich, was zwischen uns geschieht: Er wird immer ein Teil von mir sein, so wie ich von ihm.
Der Gedanke erschüttert mich und rüttelt an meinem fest verschlossenen Herzen.
?Ich habe mich wie ein Idiot benommen?, wispert er und hebt die Hand an mein Gesicht.
All die Worte, die mir auf der Zunge liegen, verschwinden, als ich die W?rme seiner Hand an meiner Wange spüre. Ich muss die Augen schlie?en, weil der Moment mich so überw?ltigt.
?Als mein Vater mir von Mums Tod erz?hlt hat, hat es sich angefühlt, als würde die Welt über mir zusammenstürzen und mich unter sich begraben. Ich konnte nicht mehr klar denken und habe das mit uns zerst?rt, und es tut mir so leid.?
Tief in mir bricht etwas auf – eine Welle von Gefühlen überschwemmt mich, von denen ich eigentlich dachte, dass ich sie l?ngst überwunden habe.
Langsam ?ffne ich die Augen wieder.
?Du hast mich so verletzt?, flüstere ich.
James sieht mich verzweifelt an. ?Ich bereue so sehr, dass ich dir wehgetan habe, Ruby. Ich wünschte, ich k?nnte das rückg?ngig machen.?
Ich schüttle den Kopf. ?Ich wei? nicht, ob ich das jemals vergessen kann.?
?Das musst du nicht. Und ich werde das auch nicht. Was ich an jenem Abend getan habe, war der gr??te Fehler meines Lebens.? Er holt zittrig Luft. ?Ich verstehe, wenn du mir nicht verzeihen kannst. Aber du sollst wissen, dass es mir leidtut, von ganzem Herzen.? Er presst die Lippen aufeinander und sieht kurz nach unten. Dann blinzelt er mehrmals. Ich kann sehen, dass er mit den Tr?nen k?mpft. Auch meine Augen haben bei seinen Worten zu brennen begonnen.
James braucht einen Moment, bis er sich wieder gefasst hat. ?Mir ist klar, dass du nicht dafür zust?ndig bist, mich glücklich zu machen, Ruby. Das habe ich nicht so gemeint. Ich sehe in dir kein Wundermittel für meinen Kummer. Das ist alles total falsch rausgekommen.? Er f?hrt sich mit der Hand übers Gesicht. ?Du musst mir nicht verzeihen. Und wir müssen nicht wieder zusammenkommen. Ich will einfach nur, dass du wei?t, wie viel du mir bedeutest. Ich m?chte kein Leben führen, von dem du kein Teil bist. Egal, auf welche Weise.?
James’ Brust hebt und senkt sich schnell, seine Augen sind glasig. ?Die Person, die du in Oxford kennengelernt hast … das bin ich. Und ich h?tte gerne mehr Tage mit dir, an denen ich dir das beweisen kann.?
Unsere Nacht in Oxford war die sch?nste meines Lebens, doch ich habe mir seitdem nicht erlaubt, auch nur darüber nachzudenken, weil ich Angst hatte, daran zu zerbrechen. Doch jetzt erlaube ich mir die Erinerungen. Ich erinnere mich an unsere Gespr?che. An die Art, wie er mir von seinen ?ngsten und Tr?umen erz?hlt hat. Wie wir einander gehalten haben.
James so zu sehen erinnert mich an Oxford. In diesem Moment ist er wieder der Mann, den er mir dort zum ersten Mal gezeigt hat. Der Mann, in den ich mich verliebt habe.
Vorsichtig mache ich einen Schritt nach vorn und schlinge die Arme um seine Taille.
James versteift sich, als w?re das das Letzte, womit er gerechnet h?tte. Ich bin ganz still, als er seine bebenden Arme vorsichtig um mich legt, so als h?tte er vergessen, wie er mich richtig halten soll. Ich schlie?e die Augen, als er sanft mit den H?nden über meinen Rücken f?hrt und eine weitere Entschuldigung flüstert.
Ich lasse die H?nde nach einer Weile zu seinen Hüften sinken und schlie?e die F?uste um den Stoff seines Trikots. Der Stoff knistert leicht unter meinen Fingern, als James seinen Mund zu meiner Schl?fe bewegt. ?Es tut mir so leid?, murmelt er erneut.
?Ich wei??, flüstere ich.
So stehen wir unter dem Kronleuchter in der Mitte der Boyd Hall, direkt vor dem Technikpult. James h?lt mich sanft, sodass ich mich jeden Moment aus seiner Umarmung h?tte befreien k?nnen, wenn ich es gewollt h?tte. Doch dazu kommt es nicht, denn schon seit Ewigkeiten hat sich nichts mehr so richtig angefühlt – als w?re ich nach einer langen Reise endlich wieder zu Hause angekommen.
James’ H?nde auf meinem Rücken sind sanft, sein Atem kitzelt mein Haar, und seine Brust hebt und senkt sich im Gleichtakt mit meiner, w?hrend mir seine geraunten Worte das Gefühl geben, dass für uns vielleicht doch noch Hoffnung besteht.
19
Ember