Er nickt.
Danach starrt er eine Weile stumm auf seine H?nde. ?Ich dachte immer, das mit uns w?re ihr genauso wichtig gewesen.?
?Es liegt auch nicht an dir. So viel ist klar.?
Er brummt nur und l?sst sich mit einem St?hnen nach hinten aufs Bett fallen.
?Ich hole dir ein Glas Wasser?, sage ich nach einem Moment.
Cyril erwidert nichts, also stehe ich auf und gehe nach unten in die Küche. Als ich zurückkomme, sitzt er wieder aufrecht im Bett. Ich habe einen Eimer mit nach oben genommen, falls ihm über Nacht schlecht wird, und Cyril be?ugt ihn mit sp?ttischem Blick.
?Hier?, sage ich und halte ihm das Glas hin. Er nimmt es entgegen und zwingt sich zu ein paar Schlucken. Anschlie?end stellt er es auf dem Nachttisch ab.
?Kann ich noch irgendetwas für dich tun??, frage ich.
?Nein, Mann. Ich glaube, ich muss jetzt allein sein.?
?Okay, dann gehe ich.? Ich deute mit dem Daumen über die Schulter.
Cyril nickt knapp. Dann macht er etwas, was er schon seit mindestens zehn Jahren nicht mehr getan hat – er steht auf und schlingt beide Arme um mich. Erst bin ich überrumpelt, aber dann klopfe ich ihm auf den Rücken. Er stützt sein halbes Gewicht auf mich, und ich halte ihn so gut aufrecht, wie es nur geht.
?Das wird schon wieder?, sage ich leise.
Cyril l?st sich von mir und weicht meinem Blick aus. Es ist offensichtlich, dass er meinen Worten keinen Glauben schenkt.
Ruby
Es ist bereits nach halb zwei, als James endlich nach Hause kommt. Er klopft leise an Lydias Zimmertür und macht sie einen Spaltbreit auf. Als er mich neben seiner schlafenden Schwester auf dem Bett sitzen sieht, tritt ein L?cheln auf seine Lippen, das meinen Bauch kribbeln l?sst. Vorsichtig stehe ich auf und versuche dabei, keine Ger?usche zu verursachen. James’ L?cheln wird breiter, als er sieht, dass ich das Kleid gegen eines seiner Shirts und eine von Lydias Leggings eingetauscht habe.
Erst als ich die Tür leise hinter mir geschlossen habe, traue ich mich, etwas zu sagen. Lydia war so aufgel?st, nachdem wir hergekommen sind – ich will sie auf keinen Fall aufwecken.
?Du bist hier?, begrü?t er mich leise.
Ich nicke. ?Ich wollte eigentlich mit Ember aussteigen, aber Lydia sah so verzweifelt aus. Ich wollte sie nicht allein lassen, also habe ich Mum gesagt, dass ich bei ihr übernachte. Hast du Cyril gefunden??
James’ L?cheln verblasst. ?Er war ziemlich dicht. Ich wei? gar nicht, ob er sich morgen überhaupt noch an irgendetwas erinnert.?
Das beruhigt mich nicht sonderlich.
?Ich vertraue Cy?, setzt James hinterher. ?Bei solchen Dingen kann man sich auf ihn verlassen.?
Skeptisch sehe ich ihn an, nicke aber schlie?lich. ?Okay.?
James blickt den Flur hinab und dann wieder zu mir. Ich greife nach seiner Hand und ziehe leicht daran, und zusammen gehen wir zu seinem Zimmer.
Dort nehme ich auf dem übergro?en Bett Platz.
?Geht es Lydia jetzt besser??, fragt James, w?hrend er sein Jackett abstreift und seine Krawatte lockert. Dann l?sst er sich neben mich fallen.
?Ja?, antworte ich nachdenklich. ?Ich glaube schon. Mr Sutton hat angerufen, und die beiden haben eine Weile miteinander gesprochen.?
James scheint nicht zu wissen, was er davon halten soll. Er atmet blo? h?rbar aus und reibt sich über die Stirn.
?Was denn??
Er brummt nur. ?Ich will nicht, dass Lydia in Schwierigkeiten ger?t. Ich wei? blo? nicht, wie ich vermeiden kann, dass dieses Kartenhaus aus Geheimnissen bald in sich zusammenf?llt.?
?Das wird es nicht?, sage ich sanft und beuge mich vor, um ihn zu berühren. Es ist mir ein Bedürfnis, ihm Trost zu spenden, wenn er so aussieht, und ich wünschte, ich k?nnte noch mehr tun, als blo? seine Wange zu streicheln.
James sieht mich aus dunklen Augen an. ?Für die Menschen, die ich liebe, würde ich alles tun.?
Ich streiche mit den Fingern weiter runter zu seinem Hals. Umschlie?e seinen Nacken mit der Hand, fahre mit dem Daumen über seinen Haaransatz. ?Ich wei?.?
?Dazu geh?rst auch du, Ruby.?
Ich halte mitten in der Bewegung inne und schlucke schwer. Mit einem Mal ist da ein Klo? in meinem Hals, den ich nicht herunterschlucken kann.
?Ich liebe dich?, raunt er.
In seiner Stimme ist so viel Gefühl und gleichzeitig so viel Schmerz, dass ich für einen kurzen Augenblick glaube, keine Luft mehr zu bekommen.
Doch im n?chsten Moment reagiert mein K?rper wie von selbst auf sein Gest?ndnis. Ich beuge mich vor, bis ich auf dem Bett knie und mit James auf einer H?he bin. Behutsam senke ich meinen Mund auf seinen und küsse ihn, nur ganz kurz.
?Ich liebe dich auch, James?, flüstere ich und lehne meine Stirn gegen seine.
James atmet h?rbar ein. ?Wirklich??
Ich nicke und küsse ihn wieder.
Es soll eigentlich wieder nur ein kurzer Kuss sein – aber dann schlie?t James eine Hand um meinen Hinterkopf, und das, was sanft angefangen hat, wird schnell mehr. Ich verliere das Gleichgewicht, sodass ich zur Seite und in die weichen Daunen falle. James unterbricht den Kuss nicht für eine Sekunde. All die Worte, die ich noch sagen will, verschwinden von meiner Zunge, als James meine Lippen mit seiner teilt. Ich seufze leise.
Als er sich diesmal von mir l?st, sind wir beide atemlos.
?Danke, dass du heute für uns da gewesen bist?, murmelt er.
Wir liegen beide auf der Seite, die Gesichter einander zugewandt. Zart streicht James über meine Taille nach oben, legt seine Hand auf meinem Rippenbogen ab. Er zeichnet kleine Muster auf meine Haut.
Ich wei? noch genau, wie es sich angefühlt hat, als er mich zum ersten Mal berührt hat: als würde sich seine Berührung durch den Stoff meiner Kleidung mitten in meine Haut brennen. Genauso ist es jetzt, als seine Hand wieder hinabwandert und auf meinem Oberschenkel zum Stillstand kommt.