Etwas schwingt in seinem Tonfall mit, das mich dazu bringt, ihn wieder anzusehen. Seine Augen funkeln verwegen, und sein L?cheln ist so hei?, dass ich mich einen Moment lang wie entwaffnet fühle.
Noch vor zwei Wochen h?tte ich es nicht für m?glich gehalten, dass er mich noch mal so ansehen würde, geschweige denn, so etwas wie diesen Moment noch einmal mit ihm erleben zu k?nnen. Am liebsten würde ich ihm noch so viel mehr sagen – aber das kann ich nicht. Dafür ist noch nicht genügend Zeit vergangen, dafür sind die Wunden noch zu frisch verheilt. James scheint es ernst zu meinen, aber die Angst, dass er sich doch wieder von mir abwenden k?nnte, ist immer noch da.
Ich versuche, ihn mir in ein paar Jahren vorzustellen. Erwachsener, gereifter. Sicherer in seinen Entscheidungen, ohne diese Unberechenbarkeit, die ich im vergangenen halben Jahr kennengelernt habe. Was würde es für einen Menschen aus mir machen, wenn ich erst dann wieder zulassen würde, dass er einen Platz in meinem Leben einnimmt? Habe ich überhaupt die Gewissheit, dass wir dann noch füreinander da sind?
Wobei – wem mache ich hier etwas vor? Für mich wird es immer nur James geben. Ich k?nnte niemals jemand anders lieben, so wie ich ihn liebe – auf diese alles einnehmende, verschlingende, leidenschaftliche Weise.
?Woran denkst du??, flüstert er pl?tzlich und streicht mit den Fingern über meine Haut.
Daran, dass ich verliebt in dich bin.
Daran, dass du der Einzige für mich bist.
Daran, dass mir das Angst macht.
?Ich habe gerade darüber nachgedacht, dass wir in Zukunft mehr miteinander reden müssen. über unsere Probleme. Damit nicht noch mal etwas … Schlimmes passiert?, antworte ich z?gerlich.
James sieht mich eindringlich an. In seinem Blick liegt eine Entschlossenheit, die ich so noch nie an ihm gesehen habe. ?Wir bekommen das hin, Ruby.?
Ich schlucke schwer. ?Bist du dir sicher??
Er nickt kurz. Nur einmal. ?Ja, bin ich.?
Erleichterung überkommt mich. James das mit dieser Gewissheit sagen zu h?ren l?sst meine Zweifel leiser werden.
Eine Weile sitzen wir nur nebeneinander und betrachten unsere verschr?nkten Finger. Dann lehnt James sich zurück und grinst mich an.
?Bestes Date der Welt?, murmelt er und hebt unsere H?nde, um meine Finger zu küssen.
Ich nicke. ?Finde ich auch.?
Pl?tzlich leuchten seine Augen auf. ?Komm uns morgen Abend besuchen?, sagt er. ?Mich und Lydia. Ich wei?, dass sie sich auch freuen würde, dich zu sehen.?
Ich z?gere. ?Dein Vater …?
?Dad ist das ganze Wochenende über in London. Wir k?nnten Sushi bestellen.?
James wirkt in diesem Moment so glücklich und gleichzeitig so nerv?s, dass seine Aufregung direkt auf mich übergeht. Ich war erst einmal bei ihm zu Hause, und mit diesem Besuch verbinde ich nur traurige Erinnerungen. Ich bin bereit, sie durch neue – sch?nere – zu ersetzen.
?Geht klar. Morgen Abend. Ich bringe Ben & Jerry’s mit.?
?Perfekt. Percy holt dich ab.? Pl?tzlich runzelt James die Stirn. ?Apropos …? Er beugt sich vor, um auf den Knopf der Freisprechanlage zu drücken. ?Müssten wir nicht l?ngst in Gormsey sein, Percy??
Einen kurzen Moment lang h?ren wir nur ein leises Rauschen. Dann …
?Ich dachte, Sie brauchen vielleicht noch ein bisschen … Privatsph?re, Sir.?
Mit geweiteten Augen sehe ich James an. Dieser erwidert meinen Blick genauso perplex. Danach pruste ich los.
James stimmt in mein Lachen ein und vergr?bt das Gesicht an meinem Hals.
25
Ruby
Ich sehe Lydias Nachrichten in dem Moment, in dem Percy auf das Grundstück der Beauforts einbiegt.
Plan?nderung!
Unser Dad ist gerade nach Hause gekommen.
Sag Percy am besten, er soll umdrehen.
Ruby?
Sie hat mir die erste vor gut fünfzehn, die letzte vor drei Minuten geschickt, auch von James habe ich drei verpasste Anrufe auf dem Handy. Panik steigt in mir auf, als ich auf mein Handy starre und überlege, was ich tun soll. Doch bevor ich überhaupt die M?glichkeit bekomme, einen klaren Gedanken zu fassen, h?lt Percy den Rolls-Royce bereits vor dem Haus der Beauforts an.
Mit wachsender Beunruhigung beobachte ich, wie er aussteigt, um den Wagen herumgeht und die Tür ?ffnet. Schwer schluckend nehme ich die kleine Tasche, in der ich die drei Packungen Ben & Jerry’s verstaut habe, ergreife die Hand, die Percy mir hinh?lt, und lasse mir von ihm nach drau?en helfen. Dort nehme ich einen tiefen Atemzug der kühlen Abendluft und sehe mich vorsichtig um.
Oben vor der wuchtigen Tür kann ich James und Lydia sehen, die auf der Schwelle stehen und bereits auf mich warten. James hat beide Arme vor der Brust verschr?nkt, w?hrend Lydia mir einmal kurz entgegenwinkt. Ich drehe mich zu Percy um. ?Ich wei? nicht, wie lange ich bleiben kann. Sind Sie noch eine Weile hier??
Auf den Lippen des Chauffeurs breitet sich ein schmales L?cheln aus. ?Ich bin immer hier, Ms Bell. Mr Beaufort soll mir einfach Bescheid sagen, dann fahre ich Sie nach Hause.? Er hebt seine Mütze leicht an, dann steigt er wieder in den Wagen, vermutlich um ihn zu den breiten Garagen seitlich des Hauses zu fahren.
Schnell gehe ich die Treppenstufen zum Eingang nach oben.
?Hey?, flüstere ich, als die beiden in H?rweite sind. ?Ich habe die Nachrichten erst vor einer Minute gesehen. Euer Dad ist hier??
James und Lydia nicken. Obwohl beide alles andere als glücklich aussehen, zieht James mich in eine kurze Umarmung. ?Hey?, murmelt er in meine Halsbeuge, und ich bekomme am ganzen K?rper G?nsehaut.
Nachdem wir uns voneinander gel?st haben, seufzt Lydia. ?Dad ist extra heimgekommen, weil er mit uns zu Abend essen m?chte.?
?Dann gehe ich besser wieder, oder??, frage ich unschlüssig. Ich will den beiden nicht das Gefühl geben, dass ich mich aus dem Staub mache, sobald es kompliziert wird. Immerhin hat James auch einen ganzen Abend in Gesellschaft meiner Familie ausgehalten. Aber sie sehen so unglücklich über die Tatsache aus, Zeit mit ihrem Vater verbringen zu müssen, dass ich die Situation mit meiner Anwesenheit nicht noch verkomplizieren m?chte.
James l?chelt mich schief an. ?Ich m?chte dir diese Folter einfach gern ersparen.?