?Mehr als okay?, gebe ich zurück und drücke seine Hand.
Dann gehen wir zusammen in Richtung Boyd Hall. Auf dem Weg dorthin kommen mir kaum Leute entgegen, die ich kenne – aber alle kennen James. Und jeder von ihnen scheint sich für die Tatsache zu interessieren, dass er meine Hand h?lt. Ich h?re ein paar von ihnen tuscheln, einige K?pfe drehen sich im Vorbeigehen in unsere Richtung. Einen Moment lang bin ich verunsichert und spüre ein flaues Gefühl im Magen. Ich werfe James einen Seitenblick zu – und das Gefühl verblasst ein bisschen.
Denn James sieht aus, als w?re es das Normalste der Welt, H?ndchen haltend mit mir über den Schulhof zu gehen.
?Ich m?chte dich übrigens auf ein Date einladen?, raunt er mir zu, kurz bevor wir die Boyd Hall betreten.
Ich unterdrücke das L?cheln, das sich auf meinem Gesicht ausbreiten m?chte. Gespielt unbeeindruckt hebe ich eine Augenbraue. ?Ach ja??
James nickt. ?Mhm. N?chsten Samstag. Wenn du Zeit hast.?
Ich tue so, als müsste ich überlegen, und James f?ngt an zu schmunzeln. ?Du spannst mich auf die Folter, Ruby Bell.?
Jetzt lasse ich das L?cheln zu.
?Ich würde sehr gerne mit dir ausgehen, James Beaufort?, sage ich und sehe ihm dabei in die Augen, damit er wei?, wie ernst ich das meine, was ich sage.
W?hrend wir durch die Eingangstür der Halle gehen, flüstert er mir zu: ?Ich hatte gehofft, dass du das sagst.?
Nach dem Assembly bringt James mich zu meinem Klassenzimmer. Wir erreichen die Tür in dem Moment, in dem Alistair, Cyril und Wren hinter uns den Flur betreten. Wren wirft einen Blick auf unsere verschlungenen H?nde, macht kehrt und verschwindet in einem der R?ume. Ich merke, wie James sich versteift, und will automatisch seine Hand loslassen, aber er h?lt meine weiter fest.
?Morgen, ihr zwei?, sagt Alistair und schenkt mir ein minimales L?cheln.
Von Cyril bekomme ich ein knappes Nicken. Ich nicke genauso knapp zurück. Ich habe nicht vergessen, was er im Dezember zu mir gesagt hat und wie sehr mich seine Worte verletzt haben. Wenn James mit ihm befreundet ist, ist das seine Sache. Aber das bedeutet nicht, dass ich ihn m?gen muss.
?Morgen?, gibt James zurück, sein Tonfall ruhig und ohne jegliche Emotion.
?Hei?t das, du bist jetzt nicht mehr so unausstehlich drauf??, fragt Alistair mit Blick auf unsere verschlungenen H?nde.
James hebt die freie Hand und zeigt seinem Freund den Mittelfinger. Danach wendet er sich an mich. ?Wir sehen uns nachher.?
Es klingt mehr nach einer Frage als nach einer Aussage, also nicke ich.
?Bis sp?ter?, raunt er und streichelt mit dem Daumen einmal über meinen Handrücken. Die kleine Berührung jagt ein Kribbeln durch meinen gesamten K?rper.
?Bis sp?ter.?
Er l?sst meine Hand los und beginnt, in Richtung des Raums zu gehen, in dem er und seine Freunde gleich Unterricht haben. Cyril und Alistair folgen ihm, und ich sehe ihnen nach, bis James einen Blick über die Schulter wirft und mich anl?chelt. Ich sollte in mein eigenes Klassenzimmer gehen, doch ich bin wie festgefroren.
Wenn ich an unseren Anfang zurückdenke, kann ich nicht glauben, dass wir inzwischen hier angekommen sind: H?ndchen haltend in der Schule, vor allen Maxton-Hall-Schülern.
Doch es fühlt sich gut an.
Und nicht nur das: Es fühlt sich richtig an.
?Egal, wo ich heute hingekommen bin?, sagt Lin nachmittags und l?sst sich neben mich auf einen der Stühle fallen, die wir in der letzten Viertelstunde in einem kleinen Kreis aufgestellt haben. ?Es gab kein anderes Gespr?chsthema als dich und James.?
Ich werfe einen schnellen Blick zur Tür, aber sie ist nach wie vor geschlossen. Au?er uns ist niemand im Gruppenraum. ?Ehrlich??
Lin nickt. ?Ja. Als ich mir in der Pause einen Kaffee geholt habe, hat in der Mensa ungef?hr jeder darüber geredet.?
Bei ihren Worten verspüre ich einen leichten Anflug von Unbehagen, beschlie?e aber, mich davon nicht beunruhigen zu lassen. Dass ich meinen Tarnumhang endgültig vergessen kann, wenn ich H?ndchen haltend mit James Beaufort durch die Schule laufe, war mir klar. Seit Beginn des Schuljahres hat sich ohnehin so viel ver?ndert, dass es mir mittlerweile egal ist, ob die Leute mich kennen oder über mich reden. Zumindest fast.
?Ich platze übrigens vor Neugier?, fügt Lin hinzu.
?Es tut mir leid, dass ich dir nichts erz?hlt habe?, sage ich. ?Aber ich wei? selbst noch nicht so richtig, was eigentlich passiert ist. Er ist gestern zu mir nach Hause gekommen, und ….? Ich erlaube mir ein kleines L?cheln. ?Es war toll.?
?Habt ihr miteinander geredet? über alles??
Ich nicke. ?Ja. Es war echt schwer. Und ich glaube auch nicht, dass wir so tun k?nnen, als w?re nichts passiert. Aber …? Ich atme langsam ein und wieder aus. ?Ich habe trotzdem irgendwie Hoffnung, dass wir das das hinbekommen.?
Zwischen mir und James ist noch l?ngst nicht alles wieder in Ordnung. Dafür ist zu viel vorgefallen, und dafür habe ich noch immer zu viel Angst, er k?nnte mich erneut verletzen. Doch gestern habe ich mich einfach nur glücklich gefühlt – und an diesem Gefühl m?chte ich festhalten, solange es geht.
Lin seufzt. ?Das klingt gut. Ich freue mich ehrlich für dich, Ruby.?
Ihr wehmütiger Tonfall l?sst mich stutzen. Dann erinnere ich mich daran, dass Lin am Freitagabend mit den anderen ins Pub gegangen ist, um Cyril zur Rede zu stellen. Augenblicklich habe ich ein schlechtes Gewissen. Dadurch, dass bei mir so viel los war, habe ich v?llig vergessen, sie am Samstag danach zu fragen.
?Gibt es denn bei dir Neuigkeiten??, frage ich vorsichtig.
Lin presst die Lippen zusammen. Einen Moment lang sieht es so aus, als würde sie das Thema abblocken wollen, doch dann atmet sie schlie?lich ruckartig aus. ?Ja. Es gibt die Neuigkeit, dass ich mich ab sofort nur noch auf Oxford konzentrieren werde.?
Ich sehe sie mitfühlend an. ?Was ist passiert??
Sie zuckt mit den Schultern. ?Cyril hat mir den Laufpass gegeben.?
Ich atme scharf ein. ?Schei?e.?
?Es ist genau, wie ich vermutet habe. Er ist in Lydia verliebt?, f?hrt sie leise fort. ?Und er macht sich jetzt wieder Hoffnungen bei ihr.?