Save You (Maxton Hall, #2)

Mr Bell schnaubt. ?Das sagst du, weil du immer gewinnst.?

?So ein Quatsch.? Sie l?chelt mich zuversichtlich an und deutet auf den Turm, den sie gerade aus den Holzbl?cken aufgebaut hat. ?Wir müssen von diesem Turm abwechselnd einen Stein ziehen und ihn dann wieder oben drauflegen. Du darfst immer nur eine Hand zum Ziehen benutzen, und in jeder Reihe muss mindestens ein Holzstück liegen bleiben.?

Ich nicke einmal. ?Verstanden.?

?Und das Tolle ist?, f?hrt sie fort und sieht dabei ihren Ehemann an, ?es gibt immer mehrere Gewinner und nur einen Verlierer.?

?Das stimmt nicht?, geht Ruby dazwischen. ?Wenn man die letzten achtzehn Jahre zusammenrechnet, sind wir alle Verlierer, weil Mum den Turm n?mlich nie umst??t.?

Als Antwort l?chelt Helen blo? in sich hinein, und in diesem Moment merke ich, dass ich mich nicht von ihrer herzlichen Art t?uschen lassen darf, sondern mich vor ihr in Acht nehmen muss.

Das Spiel geht los. Ich bin direkt nach Helen dran und ziehe einen kleinen Holzblock von der Seite heraus. Nach mir kommt Mr Bell, dann Ember und zum Schluss Ruby. Schon als ich zum zweiten Mal an der Reihe bin, kracht der Turm in sich zusammen. Erschrocken zucke ich zurück, als Holzbl?cke in alle Richtungen fallen. ?Verdammt?, murmle ich.

?Nichts für ungut, James, aber du bist echt schlecht?, sagt Ember.

?Er braucht nur ein bisschen übung.? Ruby klingt deutlich zuversichtlicher, als ich mich fühle.

In der n?chsten Runde halte ich besser durch, aber auch diesmal bin ich derjenige, der den Turm zum Fallen bringt. Und auch in der Runde darauf. Immerhin scheinen sich Ember und Mr Bell darüber zu freuen, von daher ist das in Ordnung für mich. Runde vier l?uft schon besser. Ich habe versucht, Helens Technik zu kopieren, und tats?chlich scheint der Trick zu sein, nur die Fingerspitzen und nicht die ganze Hand zu benutzen. Danach lasse ich mir Zeit, obwohl ich die Blicke von allen auf mir spüren kann. Ich gebe mir Mühe dabei, die Bl?cke so langsam wie m?glich herauszuziehen, und diesmal klappt es richtig gut.

Am Ende ist der Turm so wackelig, dass Ruby verzweifelt den Kopf schüttelt, als sie dran ist. Mit leicht ger?teten Wangen und konzentriertem Blick beugt sie sich vor und zieht einen Holzblock heraus. Der Turm wankt hin und her, als sie sich zurücklehnt, und wir alle warten wie gebannt. Als das Wanken weniger wird und er schlie?lich tats?chlich stehen bleibt, atme ich erleichtert auf. Ruby h?rt es und blickt über den Turm hinweg zu mir. Das L?cheln, das sich auf ihrem Gesicht ausbreitet, werde ich niemals vergessen. Wirklich, niemals. Es erfüllt meinen ganzen K?rper, und einen Moment lang bin ich so gefangen von ihrem Anblick, dass ich gar nicht realisiere, wie Helen die Hand ausstreckt und …

Mit einem Krachen f?llt der Turm in sich zusammen. Ember springt mit einem triumphierenden Schrei auf und zeigt mit dem Finger auf ihre Mutter. ?Ha!?

?James hat Mum dazu gebracht zu verlieren?, ruft Ruby und klatscht in die H?nde.

Auch Mr Bell lacht leise und sieht seine Frau voller Belustigung an.

?Ich glaube, das werden wir jetzt noch mal prüfen müssen?, sagt Helen und sieht mich an. Dann nickt sie in Richtung der zusammengestürzten Holzbl?cke. ?Hilf mir beim Aufbau, James.?

Diese Familie fasziniert mich. Ihre Begeisterung ist ansteckend und sorgt dafür, dass ich mich so unbeschwert fühle wie schon lange nicht mehr.

?Gern, Helen?, antworte ich viel zu sp?t und erhebe mich, um den Turm wiederaufzubauen. Block für Block, Stück für Stück. Genau wie das mit Ruby und mir. Und alles andere.





23


Ruby

Noch nie war ich vor einem Montag so aufgeregt wie heute. Die Fahrt im Schulbus kommt mir doppelt so lang vor als sonst, und obwohl ich sie normalerweise genie?e, bin ich an diesem Morgen viel zu hibbelig dafür. W?hrend wir die letzten Meter zur Schule zurücklegen und der Bus schlie?lich zum Stehen kommt, ermahne ich mich selbst dazu, mich zusammenzurei?en.

Das ist ein ganz normaler Schultag.

Alles ist wie immer.

Schalt gef?lligst einen Gang runter, Puls.

Ich bin die Letzte, die den Bus verl?sst. Und als ich die Treppe hinabsteige, sehe ich ihn.

James lehnt an dem Zaun am Sportplatz, direkt gegenüber der Haltestelle. Das L?cheln, mit dem er mich ansieht, wirkt beinahe schüchtern, auch wenn an seiner Haltung nichts diesen Eindruck vermittelt. Ich erinnere mich an den Morgen vor mehr als drei Monaten, an dem er mich ebenfalls so überrascht hat. Damals waren wir auf einer Party bei Cyril gewesen, und er hatte mich von unseren neugierigen Mitschülern abschotten wollen, damit sie mir nicht zu viele dumme Fragen stellen.

Dieses Mal wartet er nicht, bis ich bei ihm bin, sondern kommt mir entgegen. Sein L?cheln verrutscht nicht – im Gegenteil. Schon gestern Abend ist mir aufgefallen, wie oft und echt er gel?chelt hat, als er mit meiner Familie gespielt hat. Ich kann kaum glauben, dass das hier derselbe Junge ist, der im Dezember weinend in meinen Armen gelegen hat. Es tut gut, ihn so zu sehen.

?Hi?, begrü?e ich ihn und drücke meinen Pony glatt. Es ist windig, und ich befürchte, meine Haare stehen in alle Richtungen ab. James sieht mich trotzdem an, als w?re ich das Beste, was ihm jemals passiert ist.

?Guten Morgen.? Er hebt die Hand und streicht mir eine der verirrten Str?hnen hinters Ohr. Er steht so dicht bei mir, dass ich seinen Geruch wahrnehmen kann. So vertraut. Warm. Ein bisschen wie Honig. Irgendwann muss ich ihn unbedingt fragen, welches Parfum er benutzt.

?Wollen wir??, fragt er mit einem Nicken in Richtung Haupteingang.

Mein Herz macht einen Satz. Das alles fühlt sich aufregend und neu an – dabei hat er mich schon mal abgeholt und bis zum Klassenraum gebracht.

?Ja?, sage ich und überlege kurz, ob ich nach seiner Hand greifen kann. Keine Ahnung, ob wir schon so weit sind. Ob ich das darf – und wie das vielleicht auf die anderen wirkt. James nimmt mir die Entscheidung ab und umschlie?t meine Hand mit seiner. Ein Kribbeln breitet sich von meinen Fingern in meinem ganzen K?rper aus.

?Ist das okay??, fragt er.

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