Save You (Maxton Hall, #2)

Mum h?lt mit dem Brief?ffner in der Hand inne und tauscht einen überraschten Blick mit Dad. Ihre Worte über Liebeskummer hallen noch immer in meinem Kopf nach, und es kostet mich einiges an Mühe, ihrem kritischen Blick standzuhalten.

?Schatz, wir wollen nur das Beste für dich?, beginnt Dad langsam. ?Und uns ist nicht entgangen, wie schlecht es dir den ganzen Dezember über ging.?

?Das war nicht meine Ruby?, stimmt Mum ihm leise zu. ?Ich m?chte eigentlich nicht, dass du dich wieder mit diesem Jungen triffst.?

Ich mache den Mund auf und schlie?e ihn wieder.

Meine Eltern haben mir noch nie irgendetwas verboten. Wahrscheinlich liegt das daran, dass es bei mir bisher auch nicht viel zu verbieten gab. Mein Leben hat sich immer nur um meine Familie und Oxford gedreht. Irgendetwas flammt in mir auf. Ich glaube, es ist eine Mischung aus Irritation und Zorn, weil sie das gesagt haben.

?James ist …? Ich suche nach den richtigen Worten. Ich habe keine Ahnung, wie ich meinen Eltern erkl?ren soll, was zwischen James und mir vorgefallen ist.

Vielleicht kann ich ihnen ja irgendwann begreiflich machen, wie viel James mir bedeutet. Und dass mein Herz immer an ihm h?ngen wird. Aber bis es so weit ist, brauche ich mehr Zeit. Ich wei? ja selbst nicht, was gleich geschehen wird.

?Bitte vertraut mir einfach?, sage ich schlie?lich und sehe sie flehentlich an.

Wieder wechseln die beiden einen Blick.

Mum seufzt. ?Du bist achtzehn, Ruby. Wir k?nnen es dir schlecht verbieten. Wenn dieser Junge herkommt, m?chten wir aber auch die Chance bekommen, ihn kennenzulernen.?

Ich nicke. Gleichzeitig frage ich mich, ob Mum über James und die Beauforts eventuell im Internet recherchiert hat. Der Gedanke ist mir zuvor noch nie gekommen, doch es würde mich nicht wundern, wenn ihre Skepsis auch darin begründet l?ge – schlie?lich wei? ich, was man online über James findet.

?Ist der Junge Vegetarier??, fragt Dad pl?tzlich und sieht fragend zu mir hoch.

Darüber muss ich kurz nachdenken. ?Ich glaube nicht.?

?Gut. Ich wollte heute n?mlich Spaghetti Bolognese machen. James ist eingeladen.? Das ist alles, was Dad dazu sagt. Danach wendet er sich wieder dem Kindle zu.

?Das ist eine tolle Idee?, stimmt Mum zu und l?chelt mich breit an. Sie gibt sich gro?e Mühe, nicht mehr so angespannt wie zuvor auszusehen, aber ein Funken Skepsis bleibt in ihrem Blick bestehen. Sie streicht Dad flüchtig über den Arm, dann schnappt sie sich den n?chsten Brief und macht ihn auf.

Ich glaube, das Gespr?ch ist beendet, also schleiche ich mich rückw?rts wieder aus dem Wohnzimmer. Dann gehe ich in die Küche, weil man von dort aus die Autos beobachten kann, die in unsere Stra?e einbiegen. Ember und ich haben als Kinder immer auf der Anrichte gesessen und nach unseren Verwandten Ausschau gehalten, wenn diese ihren Besuch angekündigt hatten.

Es dauert zehn Minuten, bis der Rolls-Royce um die Ecke kommt. Augenblicklich sprinte ich los. Auf keinen Fall soll James zuerst von Dad begrü?t werden, der ihn sicher mit Argusaugen beobachten würde.

Ich ?ffne die Tür, noch bevor James überhaupt aus dem Auto gestiegen ist. Die Luft ist immer noch frisch, und ich trete von einem aufs andere Bein, um mich aufzuw?rmen, aber es bringt nichts. Ich h?re auf, als James in meinem Sichtfeld erscheint. Er ?ffnet das kleine Holztor geübt und blickt dann auf. Als er mich entdeckt, h?lt er kaum merklich inne. Nur einen kurzen Moment verlangsamen sich seine Schritte, dann geht er durch den Vorgarten und die Treppe zu unserem Haus nach oben, bis er vor mir steht.

?Hey?, sagt er mit kratziger Stimme.

Am liebsten würde ich ihn umarmen für dieses eine mickrige Wort. Es gab eine Zeit, da hat es mich wahnsinnig gemacht, dass er jeden so begrü?t, aber inzwischen kommt mir dieses Wort aus seinem Mund vertraut vor. Und es wirkt beinahe normal.

?Guten Morgen?, gebe ich zurück und halte ihm die Tür auf. Mit einem Nicken bitte ich ihn rein.

Der Moment, in dem er mit einem leisen R?uspern über die Türschwelle unseres Hauses tritt, kommt mir wahnsinnig bedeutsam vor. Ich frage mich, ob er wei?, dass er der erste Junge ist, den ich mit nach Hause bringe. Der erste, der mir so viel bedeutet und dem ich – selbst jetzt – genügend vertraue, dass ich ihn meinen Eltern vorstellen werde.

Der Anblick von James in unserem kleinen Flur ist ungewohnt, gleichzeitig frage ich mich, wie es sein kann, dass ich vor diesem Moment so gro?e Angst hatte. Alles hieran fühlt sich richtig an.

James tr?gt einen grauen Mantel, der dezent kariert ist, darunter eine schwarze Hose aus einem weichen Stoff und einen schlichten Wollpullover in derselben Farbe. Auch seine Lederschuhe sind schwarz. Sein rotblondes Haar ist wie immer durcheinander und leicht gewellt, als h?tte er eben erst geduscht und es an der Luft trocknen lassen. Am liebsten würde ich es berühren.

?Magst du mir deinen Mantel geben??, frage ich stattdessen.

James nickt gedankenverloren, w?hrend er sich umsieht. Sein Blick bleibt ausgerechnet an den peinlichen Kinderfotos von Ember und mir h?ngen. Auf einem tanzen wir im Garten, auf einem anderen pflücken wir ?pfel, und auf wieder einem anderen sitzen wir strahlend und zahnlos im Planschbecken unserer Tante. James sieht sie alle an, w?hrend er in einer geschmeidigen Bewegung den Mantel von seinen Schultern gleiten l?sst und mir anschlie?end reicht.

Ich muss mich ernsthaft konzentrieren, ihn nicht allzu sehr anzustarren. Da ich mir das in den letzten Wochen so streng verboten habe, scheint es jetzt umso verführerischer.

Ich konzentriere mich darauf, seine Jacke ordentlich an der Garderobe aufzuh?ngen, und gehe dann zum Wohnzimmer. James folgt mir, doch bevor ich die Tür ?ffne, drehe ich mich blitzartig um und schaue zu ihm hoch.

?Bist du Vegetarier??

James blinzelt mehrmals. Sein einer Mundwinkel zuckt, als er langsam den Kopf schüttelt. ?Nein, bin ich nicht.?

Ich atme auf. ?Gut.?

Als ich die Klinke nach unten drücke und mit James dicht hinter mir das Wohnzimmer betrete, flattert es in meinem Magen nerv?s.

?Mum, Dad, das ist James?, sage ich und deute auf meinen Begleiter.

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