Save You (Maxton Hall, #2)

?Ruby will mich nicht zurück, und ich werde mich ihr ganz bestimmt nicht aufdr?ngen. Das solltest du übrigens auch nicht.? Ich stehe auf und will zu den beiden Laufb?ndern gehen, die vor einem gro?en Panoramafenster aufgestellt sind, durch das man Ausblick auf den hinteren Teil unseres Anwesens hat. Doch ich komme nicht weit – Lydia zerrt mich am Ellbogen zurück. Ich fahre herum und funkle sie wuterfüllt an.

?Guck mich nicht so an. Es wird Zeit, dass du endlich wieder du selbst wirst?, faucht sie. Dann sticht sie mir mit einem Finger fest in den Brustkorb. ?Du kannst nicht alles und jeden von dir sto?en.?

?Ich sto?e dich nicht von mir?, bringe ich zwischen zusammengebissenen Z?hnen hervor.

?James …?

Ich versuche, die Maske aus Unnahbarkeit heraufzubeschw?ren, die in der Schule und bei ?ffentlichen Terminen mit meiner Familie immer mein zweites Gesicht war. Doch das ist Lydia, die vor mir steht. Vor ihr musste ich noch nie etwas verbergen, und deshalb will es mir einfach nicht gelingen. Frustriert werfe ich das Handtuch zur Seite.

?Was willst du von mir h?ren, Lydia??, frage ich kraftlos.

?Dass wir das gemeinsam durchstehen werden. Du und ich. So wie immer.? Sie schluckt und berührt mich leicht am Arm. ?Aber wenn du nicht ehrlich mit mir sprechen kannst und dich so zurückziehst, funktioniert das nicht.?

Ich schnaube ver?chtlich. ?Du tust so, als würdest du mit mir über alles reden. Als w?rst du der offene Mensch von uns beiden. Ich musste immer alles aus dir rausquetschen. Von deiner Aff?re mit Sutton habe ich auch nur erfahren, weil du erwischt wurdest.? Ich sto?e ihre Hand weg und sehe ihr kalt in die Augen. ?Nur weil Mum tot ist, hei?t das nicht, dass wir uns jetzt miteinander gegen den Rest der Welt verschw?ren müssen. Mach uns nicht zu etwas, was wir nie waren, Lydia.?

Sie zuckt zusammen und taumelt einen Schritt zurück. Ohne sie noch eines weiteren Blickes zu würdigen, drehe ich mich um und stopfe mir im Gehen die Ohrst?psel zurück in die Ohren. Falls meine Schwester noch etwas sagen sollte, h?re ich es nicht. Das laute Gitarrenriff übert?nt die h?ssliche Wirklichkeit meiner Welt.





9


Ruby

Die Erinnerung an James ist selbst nach wochenlanger Funkstille noch so pr?sent, dass ich das Gefühl habe, als w?re alles erst gestern geschehen. Ich schlafe schlecht. Ich l?sche seine Bilder von meinem Laptop, nur um sie einen Tag sp?ter wieder abzuspeichern und wie eine Psychopathin mit dem Finger über James’ l?chelnden Mund zu fahren. Gleichzeitig komme ich mir wie eine Lügnerin vor, weil ich zu Lydia gesagt habe, dass ich ihn nicht zurückwill, mein K?rper da aber eindeutig anderer Meinung ist.

Ich vermisse James.

Es ist absurd.

Absurd und wahnsinnig.

Und ich k?nnte mich dafür ohrfeigen. Er hat mir das Herz gebrochen, verdammt. Jemanden, der so etwas tut, sollte ich definitiv nicht vermissen.

Weihnachten kommt und geht, und zum ersten Mal in meinem Leben kann ich die Feiertage überhaupt nicht genie?en. Die Filme, die wir schauen, erscheinen mir farblos, und die Lieder, die wir h?ren, klingen alle gleich. Obwohl ich wei?, dass Mum und Dad sich beim Kochen ins Zeug gelegt haben, schmeckt das Essen fad. Und zu allem überfluss fragen mich meine Verwandten ununterbrochen, warum ich so niedergeschlagen bin und ob es etwas mit dem Jungen zu tun hat, der mir an meinem Geburtstag diese hübsche Tasche geschenkt hat. Irgendwann halte ich es nicht mehr aus und verkrieche mich allein in meinem Zimmer.

Als Silvester vor der Tür steht, beschlie?e ich, dass ich keine Minute l?nger so weitermachen kann. Ich habe es satt, mich so zu fühlen. Ich war immer ein positiver Mensch, der sich auf Neuanf?nge gefreut hat. Ich weigere mich, mir diese Einstellung von James nehmen zu lassen.

Also springe ich kurzerhand unter die Dusche, ziehe mir eines meiner liebsten Outfits an – einen engen karierten Rock und eine locker sitzende, cremefarbene Bluse –, schnappe mir mein neues Bullet Journal und gehe nach unten, fest entschlossen, Ember und meinen Eltern meine Vors?tze fürs neue Jahr zu verkünden.

Doch als ich das Wohnzimmer betrete, erstarre ich.

?Was macht ihr denn hier??, frage ich überrascht.

Ember f?hrt erschrocken zu mir herum, ebenso wie Lin, die gerade dabei war, bunte Schirmchen in Gl?sern zu verteilen. Auch Lydia h?lt abrupt in ihrer Bewegung inne – die Luftschlange in ihrer Hand macht sich allerdings selbstst?ndig und rollt von allein ab. Schweigend beobachten wir, wie sie in einem traurigen kleinen Haufen auf dem Boden landet.

Dann baut Ember sich vor mir auf. ?Wieso kommst du ausgerechnet heute aus deinem Schneckenhaus??, fragt sie aufgebracht. ?Man kann die Uhr danach stellen, wann du dein Zimmer verl?sst – und genau jetzt, wo ich einen überraschungsm?delsabend für dich plane, kommst du früher runter. Das ist einfach … Mann, Ruby!?

Ich sehe zwischen den drei hin und her. Dann breitet sich ein langsames L?cheln auf meinen Lippen aus.

?Wir feiern Silvester zusammen??, frage ich vorsichtig.

Lin erwidert mein L?cheln. ?Das war der Plan.?

Als die Erkenntnis wirklich zu mir durchsickert, nehme ich Ember fest in den Arm. ?Danke?, murmle ich an ihrer Schulter. ?Ich glaube, das ist genau das, was ich jetzt brauche.? Und dass Ember das wusste, zeigt mir wieder einmal, dass sie mich besser kennt als jeder andere Mensch auf der Welt.

?Ich dachte, vielleicht kann ich dich hiermit ein bisschen glücklich machen?, flüstert meine Schwester und streicht über meinen Rücken.

Ich nicke. Zum ersten Mal, seit das mit James alles passiert ist, fühle ich aufrichtige Freude. ?Danke?, sage ich auch zu Lin und Lydia und drücke sie nacheinander fest an mich. ?Ich freue mich so.?

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