7. KAPITEL
„Schöner Hut“, bemerkte Jake, als er sie sah, und Kate seufzte erleichtert auf. Wir sind also noch Freunde, dachte sie. Das hätte ich auch vermisst. Sie stieg ins Boot, und er ruderte hinüber zu den Weiden.
Beide zogen sie die Hemden aus, warfen die Angeln aus und lehnten sich genüsslich zurück. In der Mitte des Boots berührten sich ihre Beine, doch das störte Kate nicht mehr. Sie genoss die Wärme von Jakes Haut, holte ein Buch hervor und fing an zu lesen.
Jake sah zu ihr hinüber und freute sich, dass sie wieder mitgekommen war. Er hätte sie vermisst, und er machte sich auch keine Sorgen mehr. Immerhin hatte sie klargestellt, dass er in ihren Plan nicht hinein passte. Die Tatsache, dass er sie nackt gesehen hatte, hatte also nichts an ihrer Freundschaft geändert. Mit einem Blick in die Weidenzweige, die über ihren Köpfen hingen, stellte er fest, dass er mit dem Leben zufrieden war, lauschte auf das Plätschern des Wassers und schlief ein.
Eine halbe Stunde später schrak Kate hoch, denn Jakes Angel bog sich plötzlich sich tief über das Wasser. Hastig stieß sie ihn mit dem Fuß an, und widerwillig wachte er auf.
„Was gibt’s?“
„Sie haben etwas gefangen.“
„So ein Mist“, schimpfte er und holte den großen Fisch aus dem Wasser. Der Fisch zappelte heftig, und es gelang Jake nicht, ihn festzuhalten.
Kate beobachtete den Kampf und aß gelassen einen Apfel. Als Jake den Fisch schließlich befreit und zurückgeworfen hatte, war er ziemlich nass geworden und blickte anklagend zu Kate hinüber.
„Sie waren ja eine große Hilfe.“
„Wenn Sie noch mal so einen Wirbel machen, fahre ich das nächste Mal allein hierher“, sagte sie und schnippte den Apfelstiel in den See.
Jakes lautes Lachen dröhnte über den ganzen See, und Kate fiel mit ein. „Schneiden Sie lieber den Haken ab. Die Fische hier haben ganz eindeutig die Absicht, Selbstmord zu begehen.“
Mitleidig schüttelte Jake den Kopf. „Weswegen sollte ein Fisch so niedergeschlagen sein?“
„Wie Sie wollen“, entgegnete Kate nur. „Dann bekommen Sie eben wieder eine kalte Dusche.“ Sie griff wieder nach ihrem Buch. „Aber sagen Sie mir Bescheid. Das will ich nicht versäumen.“
„Schon verstanden.“ Jake entfernte den Haken von seiner Angel. „Könnte ich auch einen Apfel haben?“
Kate warf ihm einen zu.
„Wo haben Sie den Hut her? Er steht Ihnen wirklich gut.“
„Das finde ich auch. Er macht mich sexy.“
Eine Weile betrachtete Jake sie eingehend. „Nein“, stellte er dann fest. „Nicht sexy. Aber Sie sehen gut damit aus.“
Kate lächelte verschlagen. „Es muss aber sexy wirken. Ich habe nämlich heute Nachmittag eine Verabredung.“
„Oh, nicht schon wieder.“ Jake stöhnte auf. „Wer steht als nächster auf der Abschussliste? Das Hotel würde es schätzen, wenn Sie die Männer, die Ihnen nicht zusagen, einfach unbeschädigt wieder zurückgeben.“
„Was soll das denn heißen?“
„Sie haben Lance fast ertränkt, bei Peter einen Herzanfall verursacht, Donald mit einer Gabel gestochen und Brad mit einer Flasche auf den Kopf geschlagen.“ Jake blickte sie vorwurfsvoll an. „Wer geht denn noch mit Ihnen aus?“
„Lance brauchte einfach eine Abkühlung, Peter hat betrogen, das mit Donald war ein Unfall, und dass ich Brad eins übergebraten habe, geschah nur, um Sie zu retten. Letzteres bedaure ich mittlerweile wirklich.“
„Sind Sie Männern gegenüber immer so aggressiv?“
„Hören Sie, ich hatte schon Beziehungen mit Männern.“
Jake zuckte mit den Schultern. „Das sagen Sie. Aber wo sind diese Männer jetzt? Es gehört ganz schön viel Mut dazu, sich mit Ihnen zu treffen.“
„Sie sind doch jeden Vormittag mit mir zusammen.“
„Ja, aber ich bleibe immer auf meiner Seite vom Boot, und wenn Sie sich mir nähern, springe ich ins Wasser.“
„Keine Bange“, beruhigte Kate ihn. „Feiglinge in Booten sind vor mir sicher.“
„Gut zu hören. Also, wer ist heute dran?“
„Eric Allingham.“ Kate wartete einen Moment auf irgendeinen Kommentar von Jake. „Und? Gibt es nichts über ihn zu berichten?“
Abgesehen von seinem Mut zum Risiko, den er dadurch zeigt, dass er sich mit Ihnen trifft, weiß ich nichts von ihm. Ein netter Kerl.“ Er biss mit übertriebenem Eifer in seinen Apfel.
„Das finde ich auch“, bemerkte Kate. Allerdings muss er sich anstrengen, um mich nach einem Vormittag, an dem ich mir Ihre Ringkämpfe mit einem Fisch angesehen habe, noch zu unterhalten. Das wird schwer für ihn.“
„Rechnen Sie nicht damit, dass ich mich jedes Mal mit einem Fisch ohrfeige, sobald Sie sich langweilen.“
„Morgen habe ich auch eine Verabredung“, verkündete Kate stolz. „Vielleicht klappt das mit meinem Plan doch noch.“
„Schießen Sie schon los. Wer landet morgen in der Notaufnahme?“
„Rick Roberts, der Umweltschützer. Wir gehen wandern. Kennen Sie ihn?“
„Ja“, stimmte Jake zu. „Ihr Geschmack bezüglich Männern steigert sich langsam. Er ist ein prima Kerl.“
„Nett, dass Sie einverstanden sind.“
„Das bin ich nicht. Halten Sie sich von Abgründen und befahrenen Straßen fern.“ Jake zog den Hut über das Gesicht. „Eigentlich sollten Sie am besten im Hotel bleiben. Irgendwer bekommt hier demnächst wieder gesundheitliche Probleme, und da sollte lieber ein Telefon in der Nähe sein.“
„Urkomisch.“ Kate musste trotzdem lachen. „Aber wieso sind Sie denn so entspannt? Mit Ihnen verbringe ich die meiste Zeit. Nach dem Gesetz der Wahrscheinlichkeit sind Sie doch der Nächste.“
„Ich nicht“, widersprach Jake. „Ich bin zu alt und zu erfahren für Sie.“
Damit legte er sich schlafen, und kurz darauf war auch Kate wieder eingenickt.
Um elf weckte Kate Jake, als sie in der Kühltasche nach Saft suchte.
„Wieso bleiben Sie nicht so ruhig wie bisher?“ wollte er wissen.
„Ich kann nicht glauben, dass Sie jemals verheiratet waren. Musste Ihre arme Frau den ganzen Tag reglos in der Ecke stehen?“ fragte Kate und öffnete eine Flasche.
„Tiffany war nicht der Typ fürs In-der-Ecke-stehen.“
Kate prustete los vor Lachen und hielt die Hand vor den Mund. „Sie waren mit einer Frau verheiratet, die Tiffany hieß? Das kann ich nicht glauben.“
„Ich habe in meiner Vergangenheit wenigstens nur einen Fehler gemacht“, betonte Jake und wischte sich die Saftspritzer ab. „Sie waren doch gleich dreimal verlobt. Wie hießen die Glücklichen denn? Tick, Trick und Track?“
„Paul, Derek und Terence“, berichtigte Kate ihn. „Hat Tiffany bei ihrem Namen statt des i-Punkts immer ein kleines Herz gemalt?“
„Sie war Staatsanwältin“, erklärte Jake. „Seien Sie nicht so überheblich, ja?“
„Wenn diese Tiffany so toll war, wieso ist sie dann jetzt nicht Mrs. Tiffany Templeton?“ bohrte Kate weiter.
„Weil wir nicht zusammenpassten. Wir haben uns in beiderseitigem Einvernehmen getrennt.“
„Das klingt ja wunderschön.“ Kate seufzte gespielt. „In beiderseitigem Einvernehmen. Ich musste jedes Mal fliehen, während mich jemand am Knöchel festhalten wollte.“
„Wenn diese Männer mit Ihnen zusammen waren, dann wundert es mich, dass sie überhaupt noch die Kraft hatten, um Sie festzuhalten“, sagte Jake.
„Ach, eigentlich wollten sie nur das ganze Geld nicht einfach weglaufen lassen.“
Jake beugte sich vor, um sich ein Bier zu holen. „Über wie viel Geld sprechen Sie denn?“ fragte er beiläufig.
Kate sah auf. „Also ich habe nicht viel, aber mein Vater ist schwerreich.“
Stirnrunzelnd trank Jake einen Schluck. „Sollte ich schon von Ihrem Vater gehört haben?“
„Bertram Svenson?“
„Den habe ich mal getroffen.“ Jake nickte. „Ein mächtiger Mann.“
„Er hat Paul, Derek und Terence nicht gemocht. Eigentlich habe ich die drei auch gehasst.“
„Aber wieso waren Sie dann mit ihnen verlobt? Auch wenn Sie nicht mein Typ sind, so kann ich doch sagen, dass ein Mann Sie nicht nur des Geldes wegen heiraten möchte.“
„Vielleicht haben die drei noch überlegt, wie gut es aussieht, wenn ich neben ihnen stehe. Aber mich haben sie nicht gekannt. Das habe ich leider erst herausgefunden, nachdem ich mich mit ihnen verlobt habe.“
„Pech für die drei.“
„Danke.“ Kate biss sich auf die Lippe. „Aber Tiffany muss auch dumm gewesen sein, dass sie Sie hat gehen lassen.“
„Tiffany war sehr intelligent“, widersprach Jake. „Es war eher so, dass sie mir die Tür aufgehalten hat und ich gelaufen bin.“
„So schlimm? Wer hätte gedacht, dass Sie so viel Energie aufbringen können!“
„Das würde ich jederzeit wieder tun. Diese Frau glaubte, ich könne Gedanken lesen. Ständig hat sie Andeutungen gemacht und sich fürchterlich aufgeregt, wenn ich nicht jeden Wink mitbekam. Außerdem hatte sie große berufliche Pläne mit mir. Es hat ein halbes Jahr gedauert, bis ich gemerkt habe, worauf unsere Ehe hinauslief.“
Kate blickte ihn überrascht an. „Sie waren nur sechs Monate verheiratet?“
„Für mich war das eine lange Zeit. Offenbar hatte ich damals nur zwei Dinge im Kopf: ihren wundervollen Körper und dass es phantastisch war, mit ihr zu schlafen.“
„Oh“, meinte Kate und war plötzlich verlegen. „Und das hat sich gelegt.“
„Sehr schnell.“
„Und wie lange ist das jetzt her?“
Jake musste einen Augenblick überlegen. „Ungefähr sieben Jahre.“
„Und Sie gehen Frauen immer noch aus dem Weg?“ Kates Mitgefühl verschwand. „Ich versuche wenigstens immer noch, jemanden zu finden.“
Verächtlich lachte Jake auf. „Ja, das stimmt. Aber weshalb sollte ich mich mit Doppelgängerinnen von Tiffany treffen und dann aus Rache versuchen, sie umzubringen?“
„Ich will niemanden umbringen“, erwiderte Kate aufgebracht. „Ich suche lediglich meinen Traummann, und die Kandidaten fügen sich selbst Unheil zu.“
„Vielleicht sollten Sie die Suche aufgeben?“ schlug Jake vor.
„Auf keinen Fall!“ Kate war über ihren Ausbruch selbst überrascht. „Ich bin es leid, allein zu sein. Ich sehne mich nach jemandem, mit dem ich reden und lachen kann und … alles Mögliche eben.“
Jake holte sich schweigend noch einen Apfel aus ihrem Korb. „Und was werden Sie heute Abend tun, wenn Sie mit Eric Allingham fertig sind?“ wollte er wissen.
„Ich gehe zu Nancy. Sie will mir alles beibringen, was man wissen muss, um eine gute Barfrau zu sein.“
„Gut.“ Jake biss in den Apfel. „Eine Frau braucht einen eigenen Beruf.“
„Was sind Sie doch für ein modern denkender Mann, Jake!“
„Ja, ein richtiges Kind der Neunziger.“ Aufseufzend blickte er in den Himmel hinauf. „Wenn Sie heute Abend von Nancy genug gelernt haben, kommen Sie doch zum Billardtisch. Dann zeige ich Ihnen, wie man richtig Billard spielt.“
„Einverstanden“, sagte Kate. „Ich habe es noch nie versucht.“
„Dann spielen wir natürlich um Geld. Es wird Zeit zurück zu rudern.“ Jake setzte sich auf. „Wieso muss eigentlich immer ich rudern?“
„Weil ich ein Kind der Fünfziger bin“, gab Kate zurück und zog sich den Hut ins Gesicht.
Wenn sie später an diesen Tag zurückdachte, kam es Kate so vor, als hätte sich der Nachmittag mit Eric Allingham einfach nicht anders entwickeln können. Irgendeine geheimnisvolle Kraft hatte dafür gesorgt, dass es so und nicht anders kam.
Er war groß, gebildet und erfolgreich und gleichzeitig auch ehrlich, freundlich, mutig und rücksichtsvoll. Vielleicht etwas langweilig, aber Kate verdrängte diesen Gedanken sofort wieder. Er war ein guter Mensch, das sollte reichen. Voller Geduld ging er auf Kate ein und behandelte die Pferde behutsam und freundlich. Unter seiner Fürsorge saß Kate mit weit weniger Angst im Sattel der ruhigen Stute, als wenn Eric nicht bei ihr gewesen wäre.
„Das ist wirklich nett von Ihnen“, meinte sie lächelnd.
„Keine Ursache“, erwiderte er und schien es wirklich so zu meinen.
Endlich ein netter Mann, dachte Kate. Diesmal klappt mein Plan.
Dann trat die Stute ihn gegen das Knie, und er fiel lautlos zu Boden.
„Was immer Sie auch tun“, sagte sie zu Will, der den Arzt brachte. „Erzählen Sie es auf keinen Fall Jake.“
Jake hatte den ganzen Nachmittag über ein ungutes Gefühl, wenn er an Kate und Eric dachte. Aber weswegen bloß? Eric Allingham war ein netter Mensch, und sicher amüsierte Kate sich gut mit ihm. Vielleicht war er sogar die Antwort auf ihre heimlichen Gebete, doch seltsamerweise heiterte dieser Gedanke Jake nicht auf.
Der Notarztwagen, der den Pferdestall ansteuerte, löste allerdings ganz andere Gefühle in ihm aus. Ich kenne Kate, dachte er. Sicher sind sehr viele Leute dort bei den Ställen, aber ich bin überzeugt, dass es Eric Allingham ist, der ärztliche Hilfe braucht.
Nach einem stundenlangen Aufenthalt in der Notaufnahme des Krankenhauses versuchte Kate, Eric zu vergessen und sich auf die Arbeit am Tresen zu konzentrieren. Gestern noch war ihr der Gedanke verlockend erschienen, doch auf einmal fühlte sie sich unsicher.
Das Telefon klingelte. Es war Jessie, die darauf brannte, weitere Neuigkeiten zu erfahren. „Na, bist du schon verlobt? Oder hast du es mittlerweile geschafft, jemanden umzubringen?’1
„Hör auf damit. Du klingst fast schon wie Jake.“
„Ach richtig, Jake. Wie geht’s ihm?“
„Er ist widerlich. Aber sprechen wir nicht mehr über ihn. Heute Abend weiht mich eine Barfrau in die Geheimnisse ihres Jobs ein. Du würdest sie mögen. Sie heißt Nancy. Zum Dank rette ich ihre Bar.“
„Wie in den guten alten Zeiten.“ Jessie klang aufrichtig erfreut. „Du stellst ihr einen Plan auf, wie sie den Umsatz steigern kann, stimmt’s?“
„Genau. Erst mal muss sie ihre Schulden zurückzahlen können.“
„Triff dich doch mit dem Bankier, der für ihre Schulden zuständig ist“, schlug Jessie vor.
„Sie hat bei einem Privatmann Schulden.“
Jessie wartete einen Augenblick, doch Kate sprach nicht weiter. „Komm schon, wer ist es?“
„Jake.“
„Jake, die Aushilfe?“ Jessie klang ernstlich verwirrt.
„Eigentlich ist er keine Aushilfe“, erklärte Kate. „Aber ich möchte jetzt lieber an den Abend denken, der vor mir liegt. Ich werde eine richtige Barfrau.“
„Na, endlich tust du mal etwas, das dir Spaß macht. Sonst lebst du ja immer nur fürs Geschäft.“
„Nein, nein“, widersprach Kate sofort. „Heute früh war ich zum Beispiel im See nackt baden.“
„Du machst Scherze.“ Jessie klang beeindruckt. „Dann warst du ganz allein am See? Ich sollte vielleicht doch zu dir kommen. Das klingt ja himmlisch.“
„Zu Anfang war ich tatsächlich allein“, sagte Kate, wollte aber nicht weiter sprechen.
„Ja – und später? Was ist denn geschehen, Kate? Rede schon.“
„Als ich zurück schwamm, saß Jake am Ufer.“
Jessie lachte laut auf. „Diesen Jake muss ich unbedingt kennen lernen. Was hast du gemacht? Nein, ich weiß schon. Du hast ihn gebeten, dir den Rücken zuzuwenden, und er hat sich ganz wie ein Gentleman verhalten.“
„Nein, habe ich nicht“, widersprach Kate gekränkt. „Ich bin einfach aus dem Wasser gekommen, habe mein Kleid übergezogen und bin gegangen.“
„Dann hast du dich einem völlig Fremden gegenüber splitternackt gezeigt? Was hat er gesagt?“
„Es war doch nur Jake. Er meinte, ich hätte ihm den Morgen verschönert oder so.“
Wieder musste Jessie lachen. „Wie willst du ihm wieder unter die Augen treten?“
„Jessie, ich habe den Vormittag mit ihm auf dem See verbracht, und heute Abend bringt er mir das Billardspielen bei. Er ist nur ein Freund, nicht mehr. Kommen wir lieber zu meinem Plan. Ich bin heute mit einem Mann beim Reiten gewesen, der mir perfekt erscheint.“
„Du bist geritten? Wirklich?“
„Na ja, Eric wollte es mir gerade erklären …“ Kate verstummte, aber dann erzählte sie doch weiter. „Dann hat ihn das Pferd gegen das Knie getreten, und er musste ins Krankenhaus … Hör auf“, rief sie, als Jessie wieder loslachte. „Er war ein wundervoller Mann.“
„Na, er ist ja nicht tot. Erzähl mir mehr über Jake“, forderte Jessie sie auf. „Wie alt ist er?“
„Keine Ahnung“, erwiderte Kate verärgert. „Mitte dreißig, geschieden von einer Topstaatsanwältin, die toll im Bett war. Aber er ist nicht mein Typ. Und jetzt muss ich mich für heute Abend fertig machen. Dann rufe ich noch mal Eric an, um zu hören, wie es ihm geht. Und morgen treffe ich mich mit Rick, dem Umweltschützer. Selbst Jake sagt, dass Rick ein toller Kerl ist.“
„Schon wieder Jake. Bist du sicher, dass er nicht vielleicht mein Typ ist?“
„Absolut.“
„Ruf mich morgen wieder an, damit ich auf dem Laufenden bin, und richte Jake meine Grüße aus. Ich kann es nicht erwarten, ihn kennen zu lernen.“
„Er ist nicht dein Typ“, wiederholte Kate und legte auf, während Jessie noch immer lachte.
Was ist bloß so lustig? fragte sie sich und überlegte, was sie anziehen sollte. Der schwarze, glatte Rock reichte ihr bis zur Wade, und kurzentschlossen schnitt sie ihn mit der Nagelschere direkt über dem Knie ab. Das Haar trug sie offen, und weil sie sich mit dieser Frisur verletzlich fühlte, setzte sie wieder ihren schwarzen Cowboyhut auf.
Als sie das Apartment verließ, fiel ihr ein, dass ihr Wagen immer noch bei Nancy vor der Bar stand. Nach kurzem Überlegen setzte sie sich einfach auf die oberste Stufe und wartete.
Auch wenn er nicht vornehm oder erfolgreich war, so konnte man sich doch auf Jake verlassen. Jake würde sich bestimmt erinnern, dass sie keinen Wagen hatte, und sie abholen.
Um halb acht setzte Jake sich in seinen Wagen, um zu Nancy zu fahren. Vor dem Beifahrersitz lag ein Schuh von Kate. Aufseufzend fuhr er zu ihrem Apartment und bemühte sich, seine Aufregung zu verdrängen. Als er vor den Stufen anhielt, saß Kate bereits in einem kurzen schwarzen Rock vor der Tür und winkte ihm zu. Sie hat sehr schöne lange Beine, stellte Jake fest und war überzeugt, dass sie bestimmt viel Trinkgeld bekommen würde. Die Männer taten ihm jetzt schon leid.
Lächelnd stieg sie bei ihm ein. „Ich wollte mich gerade zu Fuß aufmachen, da wurde mir klar, dass Sie mich bestimmt retten werden. Vielen Dank. Ich werde nie wieder trinken, dann brauchen Sie mich auch nicht ständig hin und her zu fahren.“
„Kein Problem“, sagte er nur. „Versprechen Sie mir nur, dass Sie sich mit niemandem aus dem Ort verabreden. Wir haben hier auch so schon wenige Einwohner.“
„Sehr spaßig.“ Kate wandte sich ab.
„Was war heute mit Allingham? Ich sah den Notarztwagen.“
„Das Pferd hat ihn getreten.“
„Sind Sie sicher, dass Sie Ihre drei Verlobten lebendig verlassen haben? Sind die Leichen jemals gefunden worden?“
„Seien Sie still, und konzentrieren Sie sich aufs Fahren“, erwiderte Kate.
Nancy reichte Kate ein T-Shirt und eine Weste. „Jetzt bekommst du erst mal eine Uniform.“
Als sie sich im Lagerraum umzog, stellte Kate fest, dass das T-Shirt ziemlich eng und die Weste ziemlich locker saß. Aber was machte das schon? Sie wollte heute Abend ihren Spaß haben.
„Ich fühle mich ganz schön dick in dem engen T-Shirt“, beklagte sie sich lächelnd bei Nancy.
„Das ist Absicht. Aber du siehst phantastisch aus. Besonders mit dem Hut. Lass ihn ruhig auf.“ Nancy reichte ihr ein Tablett mit sechs Gläsern Bier. „Das geht an den Tisch dort hinten. Vorsicht, der Kerl mit dem dunklen Hemd kann seine Finger nicht bei sich behalten. Ach ja, ich habe die Unterlagen über die Bar dabei. Sie liegen im Hinterzimmer. Du kannst sie heute Nacht mitnehmen.“
„Sehr gern“, sagte Kate. „Ich stöbere gern in Bilanzen und Rechnungen.“
„Lieber würde ich mir die Hand abhacken, aber jedem das Seine, stimmt’s?“
„Genau.“ Kate betrachtete sich im Spiegel. „Und jetzt werde ich erst mal eine Barfrau.“
Es war berauschend. Sie wusste, dass sie aufreizender als jemals zuvor aussah, doch nachdem sie das erste Gefühl der Peinlichkeit überwunden hatte, genoss sie die aufmerksamen Blicke der Männer in der Bar. Im Gegensatz zu früher fühlte sie sich nicht nur wie ein teures Schmuckstück, das man sich gern ansah, sondern wie eine begehrenswerte Frau aus Fleisch und Blut.
Rasch entwickelte sie ihre eigene Art, flirtend mit den Barbesuchern umzugehen. Die Männer reagierten begeistert, und die Frauen erwiderten die Freundlichkeit. Im Moment dachte sie nicht mehr an ihren Plan, sondern nur noch an Nancys Bar.
Allerdings hatte die Arbeit auch gewisse Nachteile. Es machte zwar sehr großen Spaß, mit Nancy zu arbeiten und sich mit den netten Leuten zu unterhalten und die angenehme Atmosphäre zu genießen. Andererseits musste sie ständig hin und her laufen, und dann waren da noch die vielen Hände.
„Weich ihnen aus“, riet ihr Thelma, eine der Kellnerinnen. „Und wenn sie dich anfassen, verschüttest du etwas Bier über sie.“
Sally, die andere Kellnerin, zeigte ihr die schlimmsten Grabscher. „Die bedienst du am besten über den Tisch hinweg. Dann sehen sie dir zwar in den Ausschnitt, aber sie können dich nicht anfassen.“
Nancy zeigte ihr, wie sie Bier zapfen und Drinks mixen musste. Und im Laufe des Abends merkte Kate sich nicht nur die Rezepte, sondern auch die Lieblingsdrinks und die Namen der Gäste. „Ich glaube, so allmählich habe ich den Bogen raus“, sagte sie schließlich und konnte ihren Stolz kaum verbergen.
„Es ist wirklich verblüffend“, stimmte Nancy zu und nickte anerkennend. „Du solltest Jake und Ben noch Bier bringen. Die beiden sind fällig.“
Jake betrachtete bewundernd ihre Aufmachung und sah dann rasch wieder weg. „Gut sehen Sie aus. Irgendwelche Verletzte?“
„Machen Sie mal Pause. Ich laufe ja nicht um mich schlagend in der Gegend herum.“
Genau in diesem Augenblick versuchte Sally, Brads Händen auszuweichen, rutschte in einer Bierpfütze aus und verstauchte sich den Knöchel.
„Sehen Sie.“ Jake nickte anklagend. ‘
„Das ist doch nicht meine Schuld“, regte Kate sich auf, und dann halfen sie beide Sally beim Aufstehen. Ben fuhr Sally nach Hause.
„Das Angebot mit dem Job ist jetzt ernst gemeint“, sagte Nancy zu Kate. „Kannst du Sally für ein paar Abende vertreten?“
„Na klar.“
„Von sechs bis elf am Mittwoch und am Donnerstag. Wenn Sally am Freitag nicht zurück ist, von sechs bis ein Uhr.“
„Klingt gut“, erwiderte Kate trotz der Fußschmerzen.
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